Knatsch-Koalition unter Druck - SPD will Neuwahlen

Die über den Euro-Rettungskurs tief zerstrittene schwarz-gelbe Regierungskoalition gerät zuneh...
von  dpa

Berlin - Die über den Euro-Rettungskurs tief zerstrittene schwarz-gelbe Regierungskoalition gerät zunehmend auch von außen unter Druck.

Die SPD als größte Oppositionspartei stellte klar, dass sie für eine große Koalition nicht zur Verfügung steht, falls das Bündnis von Union und FDP am Streit über die Euro-Krise scheitert. Sie forderte Neuwahlen. Am Wochenende schwelte der koalitionsinterne Streit über den richtigen Weg aus der Euro-Schuldenkrise weiter.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies seinen Kabinettskollegen für Wirtschaft, FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler, ganz unverblümt in die Schranken. Die FDP verbat sich Maulkorb-Belehrungen und stärkte ihrem Vorsitzenden demonstrativ den Rücken. Dieser bekam Unterstützung von namhaften Ökonomen.

"Wenn diese Regierung nicht mehr handlungsfähig ist, dann muss sie sich ein neues Mandat der Menschen beschaffen. Und das geht nur über eine Neuwahl des Bundestages", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Nach seinen Worten ist die Regierung "faktisch nur noch geschäftsführend im Amt".

Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zwar noch eine parlamentarische Mehrheit, aber diese Mehrheit stehe in "zentralen Fragen nationaler Politik (...) nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung". Dies sei "einmalig in der Geschichte unseres Landes". Im "Tagesspiegel" (Sonntag) bot Gabriel zur Euro-Rettung der Kanzlerin vorübergehende Duldung einer Minderheitsregierung an.

Schäuble stellte in der "Bild am Sonntag" klar, dass die Zuständigkeit für den Euro in der Koalition bei der Kanzlerin und bei ihm liege. Zu den umstrittenen Äußerungen Röslers über eine mögliche Insolvenz Griechenlands sagte der Finanzminister: "In der Demokratie besteht Redefreiheit. Aber zuständig für die Finanzpolitik ist innerhalb der Bundesregierung der Finanzminister." Es gebe in dieser Frage zu Merkel "keinerlei Differenzen".

Die FDP wies die indirekte Aufforderung Schäubles, sich aus der Euro-Finanzpolitik herauszuhalten, zurück. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, Rösler setze bei der Suche nach Lösungen für die Euro-Schuldenkrise einen Auftrag des Bundestages aus dem Oktober 2010 um. "Das Parlament hat klare Regeln für die Gläubigerbeteiligung und Staateninsolvenz gefordert. Das Parlament wird auch Herr Schäuble ernst nehmen", so Lindner.

CSU-Chef Horst Seehofer beharrte im "Spiegel" auf seiner Ansicht, es müsse "auch ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone denkbar sein" - und blieb damit auf Gegenkurs zu Merkel. Seehofer, Schäuble und Lindner zeigten sich überzeugt, dass die Koalition bei der Abstimmung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms in dieser Woche eine eigene Mehrheit zustande bringt. "Aber selbst wenn es anders kommt, wäre das nicht sonderlich aufregend", sagte Schäuble. Aus Sicht der Opposition ist die Koalition dann gescheitert.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf. "Wir sollten in den nächsten Wochen in der Koalition in Ruhe und Gemeinsamkeit an der Lösung der Euro-Schuldenkrise arbeiten. Das erwarten die Bürger - und nichts anderes", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag).

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle verteidigte Rösler. "In der Sache hat Philipp Rösler meine volle Unterstützung", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Röslers Eintreten für einen stabilen und starken Euro werde "auch von Sachverständigen der Bundesregierung geteilt", betonte Brüderle.

In ihrer am Wochenende veröffentlichten Erklärung betonen die 16 Ökonomen, dass sie - wie Rösler - der Meinung sind, "dass eine Staatsinsolvenz Griechenlands in Betracht gezogen werden sollte". Sonst drohe "die ständige Erweiterung der Rettungsschirme unter deutscher Führung" und eine Transfer-Union.

Im Schlussspurt des Berliner Wahlkampfs setzte die ums politische Überleben kämpfende FDP darauf, dass sie für ihren Euro-kritischen Kurs Rückenwind bekommt und die Fünf-Prozent-Hürde doch noch schafft. Der Berliner FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer sagte der "Bild am Sonntag": "Die FDP ist die einzige Partei, die beim Euro Klartext redet. Deshalb machen wir die Berlin-Wahl zur Euro-Wahl."

Laut einer aktuellen Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" können sich 40 Prozent der Bundesbürger vorstellen, eine eurokritische Partei zu wählen. 56 Prozent glauben nach einer Emnid-Umfrage für den "Focus" nicht, dass es den Euro-Ländern gelingt, eine Staatspleite Griechenlands zu verhindern.

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