Klöckner und die Lebensmittel-Industrie: Foodwatch will Lobby-Arbeit prüfen

Julia Klöckner gerät immer wieder wegen ihrer Nähe zur Lebensmittel-Industrie in die Kritik. Nun will Foodwatch Einblick in ihren Lobby-Kalender.
von  Bernhard Junginger
Foodwatch wirft Klöckner seit langem eine zu große und problematische Nähe zu Landwirtschaftsverbänden und der Lebensmittelindustrie vor. (Archivbild)
Foodwatch wirft Klöckner seit langem eine zu große und problematische Nähe zu Landwirtschaftsverbänden und der Lebensmittelindustrie vor. (Archivbild) © Kay Nietfeld/dpa

Muss die Landwirtschaftsministerin ihre Kontakte zu Interessenvertretern offenlegen? Ja, findet zumindest die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und klagt beim Verwaltungsgericht Köln auf Einblick in den Terminkalender der CDU-Politikerin Julia Klöckner.

Amtsvorgängerin Künast kritisiert Klöckner

Unterstützung bekommt Foodwatch von einer Amtsvorgängerin Klöckners. Renate Künast, von 2001 bis 2005 selbst Landwirtschaftsministerin, sagte der AZ: "Das Problem ist nicht, dass sich Ministerin Klöckner mit Vertretern von Unternehmen und Verbänden trifft. Das massive Ungleichgewicht von Treffen mit Industrie und Verbänden im Vergleich zur Zivilgesellschaft und Umweltaktiven ist das Problem."

Klöckner treffe sich "gern und oft mit dem Bauernverband und der Ernährungsindustrie, aber nur sehr selten mit Tier-, Umwelt- und Naturschutzorganisationen". Dies, so die Grünen-Politikerin, "würde deutlich werden, wenn es eine transparente Erfassung der Minister-Termine gäbe".

Foodwatch fordert Einblick in Klöckners Terminkalender

Das von Foodwatch angestrengte Verfahren könnte Signalwirkung haben: Urteilen die Richter im Sinne der Lebensmittelwächter, müssen auch andere Spitzenpolitiker bald Rechenschaft über geheime Treffen mit Lobbyisten ablegen. Nach Angaben von Foodwatch geht es bei der Klage zunächst einmal um Klöckners Termine im Januar 2020.

Die Öffentlichkeit habe ein Recht, von den Kontakten der Ministerin zu Lobbyisten zu erfahren, sagt Rauna Bindewald von Foodwatch. Es gehe um brisante Fragen: "Welche Lobbyisten nehmen Einfluss auf die Gesetze der Bundesregierung? Wie oft trifft Ministerin Klöckner Vertreter von Nestlé, Coca-Cola oder Bayer?" Die Organisation beruft sich auf das Informationsfreiheitsgesetz. Es gewährt jeder Person einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden.

Vorheriger Antrag von Foodwatch wurde abgelehnt

Allerdings enthält es zahlreiche Ausnahmen, etwa wenn es um personenbezogene Daten geht. Das Kölner Gericht - zuständig, weil das Bundeslandwirtschaftsministerium neben seinem Berliner Standort weiter seinen Hauptsitz in Bonn hat - muss nun entscheiden, ob das Gesetz auch in diesem Fall gilt. Im August 2020 hatte das Ernährungsministerium einen Foodwatch-Antrag auf Einsicht in Klöckners dienstliche Terminliste abgelehnt.

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Begründet wurde dies auch mit der Vielzahl von Klöckners Lobby-Kontakten. So könne nicht garantiert werden, dass die Liste alle Kontakte enthalte, daraus könne der Vorwurf "mangelnder Vollständigkeit" entstehen. Zudem wurden Sicherheitsbedenken angeführt - aus den Informationen könnten Bewegungsprofile abgeleitet werden. Die Verbraucherschützer nennen diese Begründungen "absurd" und "nicht nachvollziehbar". Denn nach den Orten der Treffen hätten sie gar nicht gefragt. Dass es eine Vielzahl an Lobbytreffen gebe, spreche zudem eher für mehr Transparenz.

Klöckner soll problematische Nähe zu Lebensmittel-Industrie haben

Foodwatch wirft Klöckner seit langem eine zu große und problematische Nähe zu Landwirtschaftsverbänden und der Lebensmittelindustrie vor. Erst kürzlich hatte die Organisation kritisiert, die Ministerin betreibe "Schönfärberei", was die Zustände in der Nutztierhaltung betrifft. In Veröffentlichungen des Ministeriums würden Missstände verschwiegen. Auch im jahrelangen Streit um die nun doch eingeführte Lebensmittelampel hatte Foodwatch Klöckner vorgeworfen, zu sehr die Interessen der Lebensmittelindustrie zu vertreten.

Dass es gute Gründe gibt, warum sich Politiker mit Vertretern von Firmen und Interessenverbänden treffen, ist unbestritten. Zu den am politischen Prozess beteiligten Akteuren gehören schließlich auch Organisationen wie Foodwatch. Ex-Ministerin Künast sagt aber: "Der Einfluss von Lobbyisten auf politische Entscheidungsprozesse hat zugenommen." Sie nennt den Fall Wirecard, die Mautaffäre, die "Rent-A-Sozi-Affäre" um gesponserte Treffen mit SPD-Politikern und die Nähe der CDU-Nachwuchshoffnung Philipp Amthor zu Firmenvertretern. "Jeder Skandal erschüttert das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker."

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