Klingbeil: "Wir hoffen, dass Seehofer zur Besinnung kommt"

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil geht im AZ-Interview mit dem Bundesinnenminister hart ins Gericht. Außerdem spricht er über die Haltung der Sozialdemokraten zur Asylpolitik.
Interview: Bernhard Junginger |
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SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil glaubt, dass der Streit in der Union noch nicht vorbei ist.
Kay Nietfeld/dpa SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil glaubt, dass der Streit in der Union noch nicht vorbei ist.

München - Lars Klingbeil im AZ-Interview. Der 40-jährige gebürtige Niedersachse war Bundesvositzender der Jusos und ist seit dem letzten Jahr als Nachfolger von Hubertus Heil SPD-Generalsekretär.

AZ: Herr Klingbeil, Sie gelten als eingefleischter Rockmusikfan, haben selbst in einer Band E-Gitarre gespielt. Welcher Songtitel fällt Ihnen zum aktuellen Zustand der Großen Koalition ein?
LARS KLINGBEIL: Es gibt von der Band Tocotronic ein Stück, in dem es heißt: "Gehen die Leute auf der Straße eigentlich absichtlich so langsam – wollen sie verhindern, dass wir vorwärts kommen?" Wenn ich mir anschaue, was die SPD in dieser Regierung alles vorhat, um das Land voranzubringen, und was CDU und CSU in den vergangenen Wochen für ein Theater veranstaltet haben, dann passt das ziemlich gut.

Glauben Sie, dass nach dem Asylstreit Ruhe einkehrt – oder geht es jetzt angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen erst richtig los?
In der Sache haben wir eine Klärung, dazu hat die SPD mit einer klaren Haltung beigetragen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir den Weg von Seehofer und Söder, die auf geschlossene Lager und nationale Alleingänge setzen, nicht mitgehen. Horst Seehofer muss endlich anfangen, den Koalitionsvertrag umzusetzen, und die internationalen Abkommen schließen, die wir für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber brauchen. Wir haben aber den Eindruck, dass der Frieden zwischen CDU und CSU nur ein vorübergehender ist. Das sind zwei Parteien, die offenbar nur noch eingeschränkt in der Lage sind, ordentlich miteinander zu reden und seriös Politik zu machen. Seehofer ist als Innenminister geschwächt, ich glaube aber auch, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel geschwächt ist durch den Unionsstreit in den letzten Wochen. Es scheint nur eine Frage der Zeit bis der nächste Konflikt auf Unionsseite aufbricht.

Sie und Parteichefin Andrea Nahles haben Innenminister Horst Seehofer ja neulich eine „Gefahr für Europa“ genannt.
Wir haben es tatsächlich nicht verstanden, dass Seehofer und andere jetzt – in einer Situation, in der so viele auf Europa blicken – versuchen, Deutschland als Kraft zu positionieren, die Europa spaltet. Darauf hat die SPD eine klare Antwort gegeben: Mit uns wird es keine nationalen Alleingänge geben. Und wir haben schon noch die Hoffnung, dass Herr Seehofer zur Besinnung kommt.

Täuscht der Eindruck, dass es auch bei der SPD in der Flüchtlingspolitik mehr um Abschottung als um Integration gegangen ist?
Wir stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik mit klaren Regeln. Das bedeutet, dass Menschen, die Schutz suchen, auch Schutz bekommen müssen. Das bedeutet auch, dass es Seenotrettung geben muss. Die Integration muss besser werden. Das haben wir in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt mit einem Milliarden-Paket für die Kommunen. Und wir wollen auch, dass die Verfahren schneller werden. Wer nicht bleiben kann, muss das Land zügig wieder verlassen. Und das liegt insbesondere in der Verantwortung des Bundesinnenministers, der mal anfangen sollte, seine Arbeit zu machen, statt Show-Debatten zu inszenieren und damit Regierungskrisen auszulösen.

Klingbeil: Wir müssen auf alles vorbereitet sein

Droht beim Thema Fachkräftezuwanderungsgesetz schon der nächste Streit?
Es muss ergänzend zum Asylrecht andere Wege geben, nach Deutschland zu kommen, und deshalb brauchen wir ein Einwanderungsgesetz. Darüber könnten viele Menschen in Deutschland eine Perspektive finden, davon profitieren wir alle. Darüber gibt es auch eine grundsätzliche Einigkeit in der Koalition.

Bei der Bundestagswahl hat auch die SPD Wähler an die AfD verloren. Gibt es Ideen, wie sie die zurückholen können?
Wir müssen als Gesellschaft viel mehr über die wichtigen sozialen Themen sprechen, die die Menschen bewegen. Bei vielen Gesprächen im Wahlkreis höre ich Sätze wie „Wegen der Flüchtlinge kriegen wir keine bezahlbare Wohnung mehr“. Da geht es aber eigentlich überhaupt nicht um Flüchtlingspolitik, sondern darum, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen müssen. Pflege, Rente, Bildung, das sind die sozialen Themen, die die Menschen bewegen. Darauf hat die SPD Antworten. Das ist da beste Rezept gegen die AfD.

Müssen Sie fürchten, dass viele Genossen sich einer linken Sammlungsbewegung anschließen?
Nein. Wenn ich mir ansehe, welche Personen da zugange sind, und welche teilweise populistischen und nationalistischen Töne da angeschlagen werden, dann sehe ich diese Gefahr überhaupt nicht. Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine sind nicht die Zukunft der politischen Linken in Deutschland.

In der Unionskrise standen zeitweise Neuwahlen im Raum. Wie gut sind Sie auf den Fall des Falles vorbereitet?
Der Konflikt auf Unionsseite hat uns vor Augen geführt, dass wir auf alle Situationen vorbereitet sein müssen. Und das sind wir auch.

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