Klimagipfel im Kohleland

WARSCHAU Ausgerechnet Polen: Dort findet ab heute die große Weltklimakonferenz statt. Doch der Gastgeber ist entschlossen, Fortschritte auszubremsen – um die sehr starke heimische Kohleindustrie zu schützen. Dabei drängt die Zeit. Und: Mit China und den USA wären endlich auch zwei Klima-Schwergewichte halbwegs ins Boot zu kriegen.
Selbst der Umweltminister Marcin Korolec sagt öffentlich: „Polen will seinen Einfluss als Gastgeber geltend machen, um eine Verpflichtung zu höheren Zielen bei der CO2-Reduzierung zu verhindern.“ Regierungschef Donald Tusk hat als Devise ausgegeben: „Klimaschutz ist wichtig, aber Wirtschaftswachstum geht vor.“ Monika Czokailjo von WWF Polska hält diese Haltung für ein „fatales Missverständnis“. Der Gastgeber sollte ein neutraler Beobachter und Mittler eines Kompromisses sein – und sich nicht als Bremser betätigen.
Doch die Kohle ist für Polen ein spezielles Thema. Im zentralpolnischen Belchatow steht das größte Braunkohlekraftwerk der Welt. Der CO2-lastige Brennstoff liefert 90 Prozent des polnischen Strombedarfs, und – anders als der Trend im übrigen Europa – werden eifrig neue Kraftwerke geplant.
Ähnlich wie andere nicht so reiche Länder verweist Warschau darauf, dass es eine Art Aufholrecht gegenüber den wohlhabenderen Staaten hat und jetzt erstmal auf Wachstum statt auf Umweltschutz setzen darf. Aber es kommen noch ein paar spezifisch polnische Argumente dazu: Es gibt viel Kohle aus den eigenen Bergwerken – mit entsprechend vielen und gewerkschaftlich gut organisierten Arbeitskräften. Und: Man will unbedingt so unabhängig wie möglich von russischen Gaslieferungen werden. Erneuerbare Energien spielen in Polen kaum eine Rolle. Bezeichnenderweise richtet das polnische Wirtschaftsministerium parallel zum Klimagipfel eine große Kohlekonferenz aus.
Immer mehr Naturkatastrophen
Dabei ist der Warschauer Gipfel wirklich wichtig für den weltweiten Klimaschutz. Nach dem gescheiterten Treffen von Kopenhagen soll nun ein neuer Anlauf genommen werden, bis 2015 einen Weltklimavertrag abzuschließen. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden. „Warschau ist eine Schlüsselkonferenz, damit es 2015 klappt“, sagt Jan Kowalzig von Oxfam.
Die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Im gerade vorgelegten fünften Bericht des Weltklimarats kommen die Wissenschaftler zum Schluss, dass die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent vom Menschen verursacht wird. Und ihre Prognosen werden immer düsterer: Eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf – noch halbwegs verträgliche – zwei Grad wird immer unwahrscheinlicher. Mittlerweile ist schon von vier Grad die Rede. Das mag im novembergrauen Warschau nicht sehr bedrohlich wirken, aber die Klimaveränderung bringt immer mehr Naturkatastrophen mit sich. „Natürlich schreibt der Klimawandel nicht nach jedem Sturm eine Postkarte: ,Ich war’s’“, sagt Sabine Minninger, Klimareferentin bei „Brot für die Welt“. Aber alle Experten sagen, dass der Klimawandel für immer extremere Wetterphänomene sorgt – wie der verheerende Sturm gerade auf den Philippinen (siehe auch hier).
Politisch sind die Aussichten gemischt. Zum einen ist die Bereitschaft der reichen Staaten, selber für den Klimaschutz auch Geld auszugeben und andere Länder darin zu unterstützen, in Zeiten von Euro- und Wirtschaftskrise deutlich gesunken. Zum anderen aber sind erstmals auch die USA und China zu konkreten Schritten bereit. In den USA ist mit Barack Obama nun wenigstens der politische Wille da, konkret sind die Emissionen der USA seit 2007 um zwölf Prozent gesunken – weil auch immer mehr Amerikaner effizientere Autos fahren und weil wegen der neuen Fracking-Technik weniger Kohle verfeuert wird. Auch China baut massiv die erneuerbaren Energien aus, vor allem, um der dramatischen Luftverschmutzung in den Städten Herr zu werden.