Klebrig, nicht süß
Günstige Kredite, Gratis-Urlaub und ein Flug-Upgrade. Georg Thanscheidt, Vize-Chefredakteur der AZ, über Wulffs neue Affäre.
Jemanden mit der Hand im Marmeladentopf erwischen – in Italien ist das eine Umschreibung dafür, wenn ein Politiker bei der Annahme von Schmiergeldern erwischt wird. Auch auf den deutschen Bundespräsidenten könnte die Redewendung jetzt Anwendung finden – wenn auch in anderer Auslegung: Christian Wulff hat sich den Aufenthalt in einem Münchner Luxus-Hotel, die Eintrittskarten zum Filmfest für sich und seine Ehefrau sowie die Bodyguards von einem Marmeladen-Hersteller zahlen lassen.
Auch wenn hier keine persönliche Vorteilsnahme vorliegt – ein Geschmäckle hat auch dieser Vorgang. Und ganz bestimmt keinen süßen. Denn es ist der bisher letzte in einer Reihe von ähnlich gelagerten Vorwürfen gegen Wulff: Immer geht es um gute Freunde aus der Wirtschaft, die ihm günstige Kredite, Gratis-Urlaube oder Business-Class-Flüge zukommen lassen. Viele Vorwürfe sind lächerlich, wie der eines geschenkten Bobbycars, das nun im Schloss Bellevue in der Besucher-Ecke steht.
Einige aber haben Substanz – und zwar die, wo es um geschäftliche Beziehungen des Ex-Ministerpräsidenten zu Privatleuten und davor oder danach gewährten Gefälligkeiten geht. Ein Privatmann mag sich über solch gute Beziehungen und das so gesparte Geld freuen. Einen Angestellten der Stadt München würde solch ein Verhalten den Job kosten. Ein deutscher Bundespräsident klebt aber sicher auch nach dieser Marmeladen-Affäre weiter an seinem Stuhl.
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