Klausurtagung in Kreuth: Kalter Krieg

Die SPD traut sich bis an die Grenzen der legendären CSU-Festung. Drinnen wird einPutsch im Keim erstickt, und die Schwarzenzittern vor einer neuen Umfrage
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KREUTH - Die SPD traut sich bis an die Grenzen der legendären CSU-Festung. Drinnen wird einPutsch im Keim erstickt, und die Schwarzenzittern vor einer neuen Umfrage

Es ist eine Schlacht der Bilder. CSU und SPD zeigen Plakate um die Hypo Alpe Adria. Schauplatz ist der Parkplatz an der Einfahrt zum idyllischen Hochtal, wo sich die CSU-Landtagsabgeordneten seit Montag zur Klausur treffen. Kalter Krieg im Tegernseer Tal.

Morgens um 9.30 Uhr blasen die Genossen zum Angriff - mit einem Möbelwagen-großen Plakat. Die CSU hat schon nachts einen Abwehrring aufgebaut, und die Einfahrt gleich mit acht kleinen Verteidigungsplakaten besetzt.

Auf dem SPD-Poster verbrennen 3,75 Milliarden Euro. So viel hat die CSU-Regierung mit dem Kauf der österreichischen Skandalbank vernichtet. Die SPD listet in dicken schwarzen Lettern auf: 5000 zusätzliche Lehrer hätten dafür zehn Jahre lang bezahlt werden können. Oder: 14 Jahre hätte Bayern auf die Studiengebühren verzichten und 16 Jahre ein warmes Essen für jeden bayerischen Schüler ausgeben können. „Auch 20000 Kilometer Staatsstraßen könnten saniert werden", bringt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher ein weiteres Beispiel. Auch wenn Bayern nur 13000 Kilometer hat. Aufs Plakat hat es eh nicht mehr gepasst.

„Kasperltheater“, mäkelte Ministerpräsident Seehofer später. Die CSU hat auf Tarnfarbe gesetzt bei ihrer Verteidigung im verschneiten Kreuth. Auf blütenweißem Papier wehrt sie die Genossen in zarter schwarzer Schrift mit der Aussage des damaligen SPD-Haushaltsexperten und jetzigen Oberbürgermeister von Passau, Jürgen Dupper, ab. Der hatte den Kauf der Skandalbank gelobt: Die Bayerische Landesbank sei sehr gut aufgestellt. Die Hypo Alpe Adria sei günstig zu erwerben gewesen, sodass es sich angeboten habe, das Geschäft zu machen, zumal der osteuropäische Markt ohnehin im Fokus gestanden habe.

„Das ist eine glatte Lüge", echauffiert sich SPD-Generalsekretärin Natascha Konen. Fraktionschef Markus Rinderspacher giftet: „In der damaligen Sitzung wurden die Abgeordneten an der Nase herum und hinters Licht geführt." Er fordert: „Die CSU muss jetzt in den eigenen Reihen für Hygiene sorgen. Das klassische ,weiter so’ nimmt die Bevölkerung nicht hin."

Nicht hinnehmen will den roten Angriff auf die schwarze Klausur der Kreuther CSU-Bürgermeister Josef Bierschneider. Gleich nach dem Aufstehen versucht er, die Plakat-Attacke der SPD zu stoppen. Der Parkplatz sei Privatgrund, ruft er bei den Genossen an.

Denen aber ist das wurscht. Normalerweise stellen Langläufer und Spaziergänger ihre Autos hier ab. Die Polizei gibt sich neutral. „Mir ham' doch a Demokratie", sagt der Streifenbeamte. „De derfa bleim." „Wir können auch noch ausrechnen, welche Gehaltserhöhung die Polizisten bekommen hätten können von den 3,7 Milliarden Euro", bedankt sich ein SPD-Mitarbeiter. Die CSU hat gleich vier „Spione" mit Fotoapparaten hinunter geschickt, um alles genau zu dokumentieren. Nur in das Hochtal, vor das gelbe Tagungsschlösschen der Hanns-Seidel-Stiftung dürfen die Genossen nicht: Dort hin geht es nur über eine Privatstraße.

Droben kommt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vor die Tür und fragt scheinheilig: „Was ist denn mit der SPD da unten eigentlich?" Dabei will er nur seinen Lieblingsspruch loswerden: „Ich hab jetzt verstanden, für was die SPD steht. Für: Steht Peinlich Draußen." Ministerpräsident Horst Seehofer reagiert ärgerlich auf die SPD: „Das ist doch Kasperltheater! Klamauk! Und noch schlecht gemacht dazu, weil ich das Plakat nicht mal lesen konnte."

Er will Frieden hier oben. „Traumwetter! Traumklausur!" , propagiert er. In der Landtagsfraktion herrscht Ruhe. Die Revolution gegen Fraktionschef Georg Schmid konnte noch im Keim erstickt werden. Gesundheitsminister Markus Söder, der das Amt übernehmen wollte, säuselt nun von Geschlossenheit. Fraktionsvorständler Alexander König dreht sich da verächtlich ab: „Ich kann nichts anfangen mit einem, der erst Brandstifter ist und dann Feuerwehrmann spielt."

Dabei sind die Schwarzen getrieben von purer Angst vor der BR-Umfrage zur CSU, die heute auf den Tisch kommt. Seehofer cool: „Wenn sie gut ist, muss man bescheiden sein. Wenn sie schlecht ist, stark sein." An der Rezeption können sich die CSU-Landtagsabgeordneten schon mal Rat holen, wie sie ihre Wähler zurückerobern. Auf dem Sprüchekalender von Kreuth steht für den 12. Januar: „Liebe ist wie frisches Brot. Es muss stets aufs Neue gemacht werden."

Angela Böhm

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