„Klar, ein bisschen komisch ist das schon“
Fünf Wochen in den Südsee - Erholung für Frank Bsirske, während seine Gewerkschafter für mehr Lohn kämpfen. Ein Verdi-Sprecher: es sei kein außergewöhnlicher Vorgang.
BERLIN - Während Verdi die Lufthansa bestreikt, aalt sich Gewerkschaftsboss Frank Bsirske in der Sonne. Laut einem Bericht der „Bild“ soll der Verdi-Vorsitzende kurz vor Streikbeginn mit seiner Frau für fünf Wochen in den Südsee-Urlaub gejettet sein – mit einer Lufthansa-Maschine, ohne einen Cent zu bezahlen. Als Aufsichtsrats-Vizechef der Airline stehen nämlich ihm samt Gattin kostenfreie Flüge in der ersten Klasse zu.
Üblicherweise kostet ein solcher Flug rund 10 000 Euro. Ein Verdi-Sprecher sagte, es sei kein außergewöhnlicher Vorgang, dass der Chef der Gewerkschaften ausgerechnet während eines Streiks Ferien mache. „Als Herr Bsirske in den Urlaub fuhr, waren die Verhandlungen zwischen Verdi und Lufthansa noch nicht abgebrochen“, so der Sprecher. Auch werde Bsirske seinen Urlaub nicht abbrechen.
Der Aufsichtsrat der Telekom und Landesbezirksleiter des Gewerkschaftsbundes Verdi in Bayern, Josef Falbisoner, im Interview. Darin bezieht er Stellung über Urlaub, Vergünstigungen und moralischen Anspruch.
AZ: Grüß Gott, Herr Falbisoner! Auch in den Urlaub geflogen?
JOSEF FALBISONER: (lacht) Iwo, ich bin auf der Auer Dult. Da bin ich mit der U-Bahn hingefahren.
Sie sind im Telekom-Aufsichtsrat. Angenommen, der Konzern würde Ihnen Freiflüge in den Urlaub gewähren – würden Sie’s in Anspruch nehmen?
Nein, denn ich meine, dass diese Leistungen einen dienstlichen Bezug haben sollten.
Was wäre, wenn’s das Angebot gäbe? Oder, mit anderen Worten: Finden Sie es okay, wenn Frank Bsirske sich auf dem First-Class-Flug in den Urlaub von der Lufthansa verwöhnen lässt?
Ich denke, das ist Sache der Lufthansa, welche Leistungen sie für ihre Aufsichtsräte anbietet. Wenn es da Regelungen gibt, ist das sicher von der Hauptversammlung beschlossen worden und gilt für alle Aufsichtsräte, also auch für die Vertreter der Anteilseigner. Da gibt es sicher keine Lex Bsirske. Im übrigen haben ja auch sogenannte „einfache" Lufthansa-Beschäftigte Anspruch auf Vergünstigungen.
Die Frage ist möglicherweise nicht so sehr, ob Vergünstigungen für Aufsichtsräte rechtmäßig sind, sondern ob es von großem Fingerspitzengefühl zeugt, wenn sie ein Arbeitnehmer-Vertreter in Anspruch nimmt, und das auch noch im Umfeld eines Streiks.
Klar, ein bisschen komisch sieht das schon aus. An die Gewerkschafter im Aufsichtsrat wird ja zurecht immer ein besonderer moralischer Anspruch gerichtet. Aber dann muss man auch dazu sagen, dass die Gewerkschafter, anders als andere Aufsichtsräte, ihre Vergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung abführen. Vielleicht sollten überhaupt sämtliche Leistungen für die Aufsichtsräte offengelegt werden – also Zahlungen an die Arbeitgeber- wie an die Arbeitnehmer-Vertreter.
Von der FDP kommt der Vorwurf, Bsirske könne die Interessen der Beschäftigten nicht vertreten, wenn er als Aufsichtsrats-Vize dem Unternehmen verpflichtet ist.
Das ist Unsinn. Da gibt es doch ganz andere Interessensverquickungen! Wir hatten bei der Telekom beispielsweise lange Zeit einen Vertreter der Post im Aufsichtsrat. Als Kunde der Telekom hat er natürlich ganz besondere eigene Interessen. Das gleiche gilt für die vielen Vertreter von Banken, die in Aufsichtsräten sitzen. (sun)