Kinderpornografie-Verdacht gegen SPD-Mann: Ermittler werden fündig
BERLIN - Ausgerechnet der Internet-Experte der SPD muss sich einem massiven Vorwurf stellen: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss wegen des Verdachts der Kinderpornografie. Tauss gilt als politischer Experte für dieses Gebiet.
Ist der schlimme Verdacht gegen Jörg Tauss wahr – oder handelt es sich doch nur um eine üble Intrige? Ausgerechnet beim Internet-Experten der SPD fanden Ermittler bei einer Razzia gestern kinderpornografisches Material, angeblich Bilder auf seinem Handy. Nach der Durchsuchung der Büros und Wohnungen des Bundestagsabgeordneten bei Karlsruhe und in der Hauptstadt meldete ein Justizsprecher am Nachmittag: „Wir sind in Berlin fündig geworden.“ Es sei „einschlägiges Material“ beschlagnahmt worden. Damit sei ein „echter Einstieg in konkrete Ermittlungen“ möglich. Tauss müsse erklären, woher die Fundstücke stammen.
Unmittelbar vor der Razzia hatte der Bundestag die Immunität von Tauss aufgehoben: nach „intensiver Prüfung“, wie der Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU) sagte.
Und dennoch: Nicht einmal die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass damit Tauss schon überführt ist. Es könne sich auch ergeben, dass dieser „komplett unschuldig“ sei, sagte ein Sprecher. Denn Tauss gibt an, dass er das Material in seiner Funktion als Abgeordneter sammelte – und ließ durchblicken, es könne sich um einen Racheakt handeln. „Ich bin unschuldig“, sagte Tauss, und: „Ich beschäftige mich seit Jahren mit dieser Szene.“
Auf allen Online-Kanälen präsent
Tauss ist auch im neuesten Internettrend – soziale Netzwerke – ganz vorn dabei: Twitter, Facebook, FlickR, überall hat der umtriebige SPD-Mann eigene Kanäle. Noch gestern morgen twitterte er stolz von seinem iPhone aus der Bundestagsdebatte. Danach war Funkstille, die Staatsanwälte beschlagnahmten auch sein Handy, weitere Unterlagen und offenbar auch seinen Laptop.
Jüngst machte Tauss ausgerechnet auf dem Gebiet der Kinderpornografie mobil – er wandte sich massiv gegen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), entsprechende Seiten im Netz zu sperren. Das sei nicht praktikabel, sagte er in einem Internetvideo: „Das Thema ist zu ernst, um es irgendwelchen Wahlkampfmätzchen von Frau von der Leyen zu opfern.“
Die Ermittlungen begannen laut „Spiegel“ mit einem Mann aus Bremerhaven, der wegen Verbreitung von Kinderpornografie beschuldigt wird. Bei ihm fand man zwei Handynummern, die Tauss zugeordnet wurden, sowie seine Berliner Wohnadresse. 23 Kontakte sollen vermerkt sein, darunter eine Video-Sequenz.
Der 55-Jährige sitzt seit 1994 für Karlsruhe im Bundestag, wo er die Zwischenrufer-Statistik anführt. Er gehört dem Fraktionsvorstand an und ist Generalsekretär der Landes-SPD. Deren Chefin Ute Vogt stärkte ihm den Rücken: „Persönlich ist es für mich unvorstellbar“. Auch der Berliner Fraktionschef Peter Struck betonte: „Es ist niemand schuldig, solange er nicht rechtskräftig verurteilt worden ist.“ Tauss hatte vor zwei Jahren schon Probleme mit der Justiz – allerdings ungerechtfertigterweise. In einer anonymen Anzeige war er der Steuerhinterziehung beschuldigt worden. Der Vorwurf bestätigte sich aber nicht.
mue