Kiew verliert Einfluss in der Ostukraine

Gut zwei Monate nach der Machtübernahme hat die Regierung der Ukraine eingestanden, die Kontrolle über Teile des russisch geprägten Ostens verloren zu haben.
dpa |
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Gut zwei Monate nach der Machtübernahme hat die prowestliche Regierung der Ukraine eingestanden, die Kontrolle über Teile des russisch geprägten Ostens verloren zu haben.

Kiew/Berlin - Moskautreue Milizen brachten am Mittwoch weitere Verwaltungsgebäude in ihre Hand.

Zugleich dämpften die Separatisten Hoffnungen auf eine unmittelbar bevorstehende Freilassung der festgehaltenen westlichen Militärbeobachter. Unter den seit Freitag in der Stadt Slawjansk festgehaltenen Geiseln sind vier Deutsche - drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die sofortige Freilassung der Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Deutschland bemühe sich "auf allen diplomatischen Kanälen" um eine Lösung, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Berlin. Dazu gehörten auch Gespräche mit dem Kreml in Moskau.

Der prorussische Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow verneinte in dem Geisel-Drama jegliche Einflussnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir hatten bisher noch keinen Kontakt zu Moskau und gehorchen hier auch nicht Putin, wir sind die Volksrepublik Donezk", sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk "Bild Online". Zum Schicksal der festgehaltenen Beobachter sagte er: "Wir sind in einem guten Dialog, aber ich denke nicht, dass es eine Freilassung schon heute oder morgen geben kann."

Zuvor hatte Ponomarjow noch den Eindruck erweckt, es könne eine schnelle Lösung "ohne einen Geiselaustausch" geben. Die Separatisten hatten mehrfach erklärt, inhaftierte Gesinnungsgenossen freipressen zu wollen. Kreml-Chef Putin hatte am Dienstagabend in Weißrussland erklärt, er setze darauf, dass die Militärs die Region ungehindert verlassen könnten. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von schwierigen Verhandlungen zwischen der OSZE und den prorussischen Separatisten, die die Soldaten festhalten.

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin kritisierte die Entsendung der OSZE-Militärbeobachter in die Ostukraine als "Dummheit". "Wie kann man Offiziere in einen Bus setzen und ohne Absprachen in eine solche Region senden - ohne Dokumente, die ihren Status bestätigen?", sagte er der Agentur Itar-Tass in New York. "Diese Fahrt war entweder eine Provokation der Führung in Kiew oder - verzeihen Sie - eine Dummheit."

Die Führung in Kiew räumte ein, die Kontrolle über Teile der krisengeschüttelten Ostukraine verloren zu haben. In den Gebieten Donezk und Lugansk seien einige Regionen in den Händen moskautreuer Aktivisten, sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow in Kiew. Er warf den Sicherheitskräften Versagen vor. "Ordnungshüter, die die Ukraine verraten haben und mit den Terroristen zusammenarbeiten, werden zur Verantwortung gezogen."

In der Ostukraine sind die prorussischen Militanten weiter auf dem Vormarsch. Unbehelligt von ukrainischen Sicherheitskräften nahmen Separatisten am Dienstag auch die Gebietsverwaltung der östlichsten Großstadt Lugansk ein. In Lugansk und Gorlowka besetzten prorussische Demonstranten am Mittwochmorgen weitere Verwaltungsgebäude.

Der Westen beschuldigt Russland, sich einer Umsetzung der Genfer Vereinbarungen, die unter Beteiligung Moskaus ausgehandelt worden waren, zu verweigern und die Krise in der Ukraine anzufachen. Die Europäische Union und die USA hatten daraufhin am Montag eine Ausweitung der bislang verhängten Strafmaßnahmen gegen Russland beschlossen.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy rief Moskau zur Einhaltung des Genfer Abkommens zur Lösung der Ukraine-Krise auf. Die Situation vor Ort sei weiterhin "beunruhigend". Russland müsse mit ernsten Konsequenzen rechnen, falls es zu einer weiteren Destabilisierung in der Ukraine komme, sagte der Politiker bei einem Kurzbesuch in Prag. Er kritisierte einen weiteren Truppenaufbau Russlands an der Grenze zur Ukraine.

Der inzwischen im russischen Exil lebende frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch war Ende Februar nach heftigen Protesten an seinem prorussischen Kurs gestürzt worden. Seither amtiert in Kiew eine prowestliche Führung.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht wegen der internationalen Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise eine Rezessionsgefahr für Russland. Für Mittwochabend wurde eine Entscheidung im IWF-Exekutivrat über Milliarden-Hilfen für die Ukraine erwartet. Es geht dabei um die Freigabe von geplanten Krediten in Höhe von 14 bis 18 Milliarden Dollar (10 bis 13 Mrd Euro) für die kommenden zwei Jahre.

Die ukrainischen Schulden für russisches Gas sind nach Moskauer Angaben im April um rund 1,3 Milliarden US-Dollar auf etwa 3,5 Milliarden US-Dollar gestiegen. Kiew weigert sich, die von Russland massiv angehobenen Preise zu bezahlen. Auf Druck internationaler Kreditgeber erhöht der nahezu bankrotte ukrainische Staat den Gaspreis für Privathaushalte an diesem Donnerstag (1. Mai) deutlich.

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