Kein Platz für Seehofer: Panne bei der Unterschrift

BERLIN - Plötzlich bockte Horst Seehofer. Mit gutem Grund, denn Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guido Westerwelle haben bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages in Berlin keinen Platz für die Paraphe des CSU-Chefs gelassen.
Mit dieser Panne konnte wirklich niemand rechnen. Als die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP am Montagabend in der Berliner NRW-Landesvertretung feierlich ihren Koalitionsvertrag unterschreiben, den sie in den letzten drei Wochen am selben Ort ausgehandelt haben, bockt Horst Seehofer plötzlich. Der Grund für den Groll des Oberbayern: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guido Westerwelle haben ihre Unterschriften derart breit und selbstbewusst unter den Vertrag gesetzt, dass dazwischen, wo die Paraphe des CSU-Chefs vorgesehen gewesen wäre, einfach kein Platz mehr war.
„Also so was“, grummelt er und zieht die Stirn in Falten, schaut sich hilfesuchend nach den Damen vom Protokoll um, die darüber wachen, dass alles seine Ordnung hat mit den Unterschriften. Irgendwann ruft Seehofer ins illustre Publikum, wo sich der schwarz-gelbe Hochadel – Abgeordnete und künftige Minister – versammelt hat: „Tut mer leid, die hom mir keinen Platz für meine Unterschrift gelassen!“ Widerwillig und nach langem Zögern nimmt Seehofer doch noch den Füller in die Hand und unterschreibt schließlich den Vertrag unter den Namenszügen seiner beiden Duz-Freunde Angela und Guido. Letzteren spricht er übrigens mit diebischer Freude beständig „Gui-do“ aus anstatt „Giedo“, so dass es preußische Beobachter vor Lachen nur so schüttelt.
Erst Merkel und Westerwelle, dann Seehofer also, soll das die künftige Hackordnung sein? So eine Unverschämtheit! Dabei hatte der CSU-Chef bei seiner kurzen Ansprache extra die bajuwarischen Muskeln spielen lassen. „Die CSU ist eine basisdemokratische Einrichtung“, hatte er bemüht gewitzelt und stolz berichtet, dass seine Partei gleich dreimal über den Koalitionsvertrag habe abstimmen lassen. Sowohl im Vorstand als auch in der Landesgruppe und auf dem Parteitag sei das Ergebnis identisch gewesen: „Keine Enthaltungen, keine Gegenstimme, nur Zustimmung.“ Seehofers gewagter Schluss: „Deshalb begreifen wir uns als Stabilitätsanker dieser Koalition.“
Vielleicht im Überschwang, vielleicht aber auch kühl kalkuliert fügt Seehofer dann hinzu, dass er ja bereits vor einem Jahr einen schwarz-gelben Koalitionsvertrag habe unterschreiben dürfen – in Bayern. Und sagt dann unter großem Geraune: „Vielleicht gehöre ich ja zu den Politikern, die in vier Jahren, 2013, ein drittes und viertes Mal einen Koalitionsvertrag untreschreiben dürfen. Mein Ziel ist es jedenfalls.“
„Auch in Bayern“, gluckst Westerwelle sofort in Richtung seiner Parteifreunde – und sofort brodelt die Gerüchteküche unter Politikern und Journalisten in Berlin: Wie hat er das jetzt gemeint? Geht Seehofer also schon heute davon aus, dass es 2013 wieder nicht reicht für eine CSU-Alleinregierung in Bayern, dass er wieder mit der FDP oder einen anderen Partei koalieren muss? Und: Droht der Ministerpräsident seinen parteiinternen Konkurrenten schon heute damit, 2013 erneut antreten zu wollen als Spitzenkandidat im Freistaat?
Wie auch immer: Seehofers potenzieller Hauptrivale glänzte auf der schwarz-gelben Jubelfeier lieber durch Abwesenheit: Karl-Theodor zu Guttenberg hatte kurzfristig abgesagt.
Markus Jox