Kein «Maulkorb» für SPD-Debatte über Linke

Die Sozialdemokraten dementieren, dass die Parteispitze ein Ende der Diskussion zu Rot-Rot verfügt habe. Die Gruppe «Netzwerk» erwartet jedoch, dass die Kritik an Beck und Steinbrück verebbt.
Der Sprecher der reformorientierten «Netzwerker» in der SPD, Christian Lange, hat einen Bericht der Zeitung «Die Welt» zurückgewiesen, wonach der SPD-Bundestagsfraktion ein «Maulkorb» verpasst worden sei. Lange rechnet vielmehr damit, dass die Debatte über den Umgang der Sozialdemokraten mit der Linken auch in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag eine Rolle spielen wird. «Wir werden natürlich darüber sprechen. Das ist ja gar nicht anders möglich», sagte Lange im Südwestrundfunk.
«Die Welt» behauptete am Dienstag, in der Fraktion solle eine Debatte über die Parteispitze und ihr Verhältnis zur Linken unterbunden werden. Das habe der Fraktionsvorstand beschlossen. Das Blatt beruft sich auf übereinstimmende Berichte mehrerer Fraktionsvorstandsmitglieder. Der Grund für den «Maulkorb» laut «Welt»: Die Fraktion sei über Becks Linkskurs gespalten, zudem unterstütze ein Großteil der 222 SPD-Abgeordneten dessen Stellvertreter Steinmeier. Die mehr als 80 Parlamentarier des konservativen «Seeheimer Kreises» und die 48 Abgeordneten des reformorientierten «Netzwerks» lehnten Becks neuen Kurs überwiegend ab. Die Parlamentarische Linke unterstütze dagegen eine Öffnung zur Linken.
«Netzwerker» Lange sagte, er erwarte, dass die Debatte nicht mit persönlichen Angriffen auf Beck und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verbunden sein werde. Steinbrück hatte sich kritisch über den Kurs von Beck zum Umgang mit der Linken geäußert. Der Parteivorsitzende hatte zunächst eine Zusammenarbeit der SPD-Landesverbände im Westen mit der Linken abgelehnt, dann aber kurz vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg umgeschwenkt.
Bosbach sieht «Projekt alte Linke»
Nach dem Kurswechsel der SPD will Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach ein rot-rotes Bündnis auch auf Bundesebene nicht mehr ausschließen. «Es wird zunächst erklärt und selbstverständlich auch bei den nächsten Bundestagswahlen: Mit den Linken auf gar keinen Fall», sagte der CDU-Politiker am Montagabend in der N24-Sendung «Was erlauben Strunz» und fügte hinzu: «Und dann wird man alles wieder einkassieren und dafür auch wortreiche Erklärungen finden.» Bosbach unterstrich, er glaube den Sozialdemokraten nicht, wenn die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund ausschließe: «Wenn sie es für opportun hält, wird sie es tun.» In Anspielung auf den Kurs von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) meinte der CDU-Politiker: «Das Projekt neue Mitte ist beerdigt, jetzt wird das Projekt alte Linke reanimiert.»
Bundesumweltminister Gabriel mahnte in der «Braunschweiger Zeitung» eine stärker inhaltliche Auseinandersetzung mit der Linken an und warnte: «Es entsteht ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn wir nur über die Situation in Hessen sprechen und nicht gleichzeitig inhaltlich begründen, warum wir das auf Bundesebene nicht wollen.» Im Bund könne die SPD «absolut nicht» mit der Linken zusammenarbeiten, «da besteht bei der Linkspartei ein hohes Maß an Unehrlichkeit», sagte Gabriel. Er begrüßte zugleich den Beschluss des SPD-Vorstandes, den Landesverbänden eine vorsichtige Öffnung zur Linken zu erlauben.
«Beck ist nicht angeschlagen»
Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, stellte sich hinter Kurt Beck. Der unter einer schweren Grippe leidende Parteivorsitzende sei krank, «aber nicht angeschlagen. Alles andere sind Fantastereien von Leuten, die der SPD schaden wollen, indem sie Spitzenleute der Partei beschädigen. Kurt Beck ist und bleibt SPD-Vorsitzender - ohne wenn und aber», sagte Struck der «Bild»-Zeitung. Beck sei auch weiterhin erster Anwärter auf die Kanzlerkandidatur 2009. Auf die Frage nach Fehlern Becks in der Debatte über die Linke sagte Struck: «Beck hat von sich aus eingeräumt, dass diese Diskussion nicht optimal gelaufen ist. Das war honorig. Aber damit ist die Sache nun auch erledigt.» Struck verteidigte die Entscheidung der Parteispitze, auch den SPD-Landesverbänden im Westen freie Hand für eine Zusammenarbeit mit der Linken zu lassen. Er ergänzte: «Ich war immer der Meinung, dass in dieser Frage nicht zwischen Ost und West-Ländern unterschieden werden sollte.» Auf Bundesebene gebe es allerdings ein klares Nein zu einer Zusammenarbeit. (dpa)