Katalonien: Gewalt bei Referendum über Unabhängigkeit - Hunderte Verletzte
Polizisten mit Schlagstöcken und blutende Bürger: Mit aller Macht versuchte die spanische Regierung, ein illegales Referendum über die Loslösung Kataloniens zu verhindern. Nach Polizeigewalt sind die Fronten aber noch verhärteter. International herrscht Kopfschütteln.
Barcelona/Madrid - Bei dem umstrittenen Referendum über die Unabhängigkeit in der spanischen Region Katalonien sind nach teils brutaler Polizeigewalt mehr als 700 Menschen verletzt worden.
Trotz eines gerichtlichen Verbotes und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid zog die Regierung in Barcelona die Abstimmung über eine Loslösung von Spanien am Sonntag durch. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach der Abstimmung am Abend jede Gültigkeit ab. Es habe am Sonntag in Katalonien kein Referendum, sondern eine "Inszenierung" gegeben.
Verletzte auf beiden Seiten
Gleich bei der Öffnung der Wahllokale griffen die von Madrid entsandten Polizisten hart durch, um die Wahl zu blockieren. Nach amtlichen Angaben wurden 761 Bürger verletzt, darunter einige schwer. Auch zwölf Polizisten wurden leicht verletzt. Der Sprecher der katalanischen Regionalregierung sprach von "Unterdrückung durch den spanischen Staat" und einer "Schande Europas".
Trotz des Polizeieinsatzes wurde vielerorts in Katalonien abgestimmt. Die Regionalregierung teilte mit, 96 Prozent der 3215 Wahllokale hätten am Sonntag normal funktioniert.
Rajoy steht nach den Zwischenfällen stark in der Kritik. Die katalanische Regionalregierung habe "Grundrechte verletzt" und gegen die Legalität und das demokratische Zusammenleben verstoßen, sagte er in Madrid. Der konservative Politiker gab der Regionalregierung in Barcelona die Schuld an den Unruhen. Die Verantwortlichen seien die, "die das Gesetz gebrochen haben". "Wir haben nur unsere Pflicht erfüllt und das Gesetz befolgt."
Von der EU kommt bislang nichts
Die stärkste Oppositionskraft in Madrid, die sozialistische Partei (PSOE), sprach von "Schande und Traurigkeit". Die Sorge um die Gewalt in einem der wichtigsten Länder der EU erreichte auch Deutschland und andere Länder Europas. "Die Eskalation in Spanien ist besorgniserregend", schrieb der SPD-Chef und langjährige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Madrid und Barcelona müssten "sofort deeskalieren und den Dialog suchen". Der belgische Premierminister Charles Michel erklärte: "Gewalt kann nie eine Antwort sein." Der Ruf nach einer Vermittlung der EU wurde lauter.
Denn ein Kompromiss zwischen den verhärteten Fronten ist nicht in Sicht. Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont erklärte, die Sicherheitskräfte hätten auch Gummigeschosse und Schlagstöcke gegen friedliche Bürger eingesetzt. Er sprach von einem "ungerechtfertigten, irrationalen und unverantwortlichen" Gewalteinsatz. In Richtung Rajoys sagte er: "Es ist alles gesagt, die Schande wird Sie auf ewig begleiten."
Gummigeschosse gegen Demonstranten
Madrid wies alle Vorwürfe zurück. Die stellvertretende Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría sagte, der Einsatz der Polizei sei angesichts der "Verantwortungslosigkeit" der Regierung in Barcelona nötig und auch "verhältnismäßig" gewesen. Auf Fotos und Videos war zu sehen, dass die Polizei in der Tat zum Teil auch Gummigeschosse einsetzte. Beamte schlugen und traten auf Bürger ein, die sich friedlich vor den Wahllokalen versammelt hatten. Mehrere Menschen bluteten im Gesicht, darunter auch ältere Bürger. Über Barcelona kreisten Hubschrauber. Die meisten Menschen reagierten friedlich auf die Aktionen der Polizei, hielten ihre Hände in die Höhe und stimmten Lieder an. Einige gingen mit Blumen in den Händen auf die Sicherheitskräfte zu. "Wir sind friedliche Leute!", riefen die Bürger in Sprechchören.
FC Barcelona schließt Zuschauer aus
Aus Protest gegen die Gewalt beschloss der Fußball-Topclub FC Barcelona, das Spiel gegen UD Las Palmas am Sonntag unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Der Antrag des Vereins, das Spiel abzusagen, wurde spanischen Medienberichten zufolge vom Verband abgelehnt. "Der FC Barcelona verurteilt die Ereignisse, die es heute in weiten Teilen von Katalonien gegeben hat, um die Bürger daran zu hindern, ihr demokratisches Recht der freien Meinungsäußerung auszuüben", hieß es in einer Erklärung des Clubs von Superstar Lionel Messi und dem deutschen Nationaltorwart Marc-André ter Stegen.
Auch Fußballstar Gerard Piqué vom FC Barcelona gab seine Stimme ab. "Ich habe abgestimmt. Gemeinsam sind wir beim Schutz der Demokratie nicht zu stoppen", schrieb der 30 Jahre alte Katalane, der mit Pop-Queen Shakira zwei Kinder hat, vor dem Spiel auf Twitter.
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