Karlsruhe: Massenüberwachung von Kennzeichen verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die automatisierte Überwachung von Kennzeichen als verfassungswidrig erklärt. Die Fahndungsmethode verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die Polizeibefugnis zur automatisierten Massenkontrolle von Autokennzeichen in Hessen und Schleswig-Holstein ist nichtig. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag verletzen die Gesetze das Datenschutz-Grundrecht der Autofahrer.
Nach Ansicht des Karlsruher Gerichts sind die Vorschriften zu unbestimmt. Es sei nicht geregelt, aus welchen Anlässen die Polizei per Videokamera Kfz-Kennzeichen mit den Fahndungsdaten abgleichen dürfe. Außerdem bleibe offen, zu welchem Zweck die Daten verwendet werden dürften. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Drei Autofahrer aus Hessen und Schleswig-Holstein hatten gegen die grundlose Erfassung Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie sehen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und befürchten, dass die Behörden mit den Daten Bewegungsprofile erstellen.
Der Ertrag der Überwachung ist umstritten
Das automatische Scannen und Überprüfen ist in acht der 16 Bundesländer laut Polizeigesetz zumindest theoretisch bereits möglich: Neben Hessen und Schleswig-Holstein sind dies Bayern, Bremen, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. In Baden-Württemberg ist die Methode von diesem Sommer an erlaubt. Zwar sind die Regelungen in den anderen Ländern formal noch nicht für verfassungswidrig erklärt. Nach dem Urteil werden sie die Gesetzgeber aber anpassen müssen.
Der Ertrag der Maßnahme ist umstritten. Mit der Methode wurden meist Autobesitzer gefunden, die ihre Versicherungsbeiträge nicht zahlten. Das Ablesen erfolgt entweder von stationären Einrichtungen oder von einem Polizeiwagen aus. Allein in Hessen wurden im Jahr 2007 über eine Million Kennzeichen automatisch gescannt und mit Fahndungslisten abgeglichen.
«Grundrechtseingriff an der Bagatellgrenze»
Bei der mündlichen Verhandlung im November vergangenen Jahres verteidigten die Länder ihre gesetzlichen Regelungen. Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) sprach von einem «Grundrechtseingriff an der Bagatellgrenze». Es gebe keinen Unterschied zu den herkömmlichen Polizeikontrollen. Dabei schreibt ein Polizist das Kennzeichen auf und startet dann selbst oder über einen Kollegen in der Wache eine Fahndungsabfrage. (dpa/AP)