Karlsruhe hilft Bayern und den Rauchern
Es jubeln die Raucher – und die bayerische Staatsregierung. Die Autorin des strengsten Rauchverbotsgesetzes fühlt sich ebenso als Siegerin wie die Gäste und Betreiber von Eckkneipen. Was paradox klingt, ist Resultat des Verfassungsgerichtsurteils. Die Antworten zu den wichtigsten Fragen.
In einem Grundsatzurteil bestimmte der 1. Senat, dass die unterschiedlichen Ausnahmeregelungen zum generellen Rauchverbot nicht verfassungsgemäß seien. Mit dem Grundgesetz vereinbar allerdings ist ein absolutes Rauchverbot in allen Gaststätten, wie es in Bayern theoretisch gilt. Sicher ist schon jetzt: Der Hickhack über die Ausführung wird weitergehen. Bis Ende 2009 müssen alle Länder – außer Bayern und dem Saarland – ihre Gesetze in Ordnung bringen. Bis dahin gilt eine Übergangsregelung. Die wichtigsten Fragen:
Gilt das Rauchverbot noch?
Grundsätzlich ja. Die bayerische Regelung stand nicht zur Verhandlung. Das Gericht hat sie aber ausdrücklich als verfassungskonform anerkannt.
Gibt es die Raucherclubs noch?
Ja, bis zu einem anhängigen Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofs sind die Schlupflöcher aus der bayerischen Regel noch möglich.
Gilt die Übergangsregelung auch für bayerische Einraum-Kneipen?
Nein. In Bayern gilt das bayerische Gesetz. Schlupfloch ist nur der Raucherclub. Außerhalb Bayerns können sich bis zum Ende der Übergangsregelung Einraumkneipen zu Raucherkneipen erklären. Zutritt ist ab 18 Jahren erlaubt.
Darf in Restaurants jetzt wieder geraucht werden?
Nein. In Bayern generell nicht, außerhalb Bayerns dürfen keine selbst hergestellten Speisen in Einraumkneipen angeboten werden, in denen man rauchen darf.
Was ist mit Discos?
Sie müssen sich in Bayern als Raucherclub tarnen. Außerhalb Bayerns dürfen Discos Raucherräume anbieten, allerdings darf dort keine Tanzfläche sein.
Warum ist das Urteil so kompliziert?
Es ging nicht um Gesundheitsschutz, nicht um die Frage, ist Passivrauchen schädlich oder nicht. Zur Verhandlung stand lediglich die Klage dreier Wirte, die sich in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt sehen. Da das Gaststättenrecht Ländersache ist, gibt es verschiedene Gesetze. Nur zwei davon, die im Saarland und die in Bayern, sind verfassungskonform.
Warum gibt es kein einheitliches Bundesgesetz?
Davor hat sich die Bundesregierung gedrückt. Sie hätte im Rahmen des Arbeitsschutzes ein bundeseinheitliches Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer in den Gaststätten auf den Weg bringen können. Indem sie das Problem an die Länder weitergerecht hat. ist der rechtliche Flickenteppich entstanden.
Gibt’s keine Hilfe für Nichtraucher aus Karlsruhe?
Die Möglichkeit, ein totales Rauchverbot zu erlassen, begründen die Richter mit den schweren Schäden, die Passivrauchen auslösen kann. Dabei zitiert das Gericht Erkenntnisse des seriösen deutschen Krebsforschungszentrums. Die Raucherlobby hatte versucht, mit „Studien“ zweifelhafter, zum Teil von der Tabaklobby finanzierter Experten den gesicherten Stand der Wissenschaft infrage zu stellen. Die Richter nahmen das nicht ernst.
Johannes Lieberer