Karlsruhe entscheidet über Euro-Rettungsschirm
Karlsruhe/Berlin - Europa blickt nach Karlsruhe: Die Richter sagen, ob Euro-Rettungsschirm ESM und Fiskalpakt starten dürfen. Es ist die Entscheidung über die größte Verfassungsbeschwerde der deutschen Geschichte.
Das Bundesverfassungsgericht verkündet um 10.00 Uhr seine mit Spannung erwartete Entscheidung über den permanenten Euro-Rettungsschirm. Die Kläger wollen verhindern, dass Bundespräsident Joachim Gauck den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unterzeichnet und der permanente Rettungsschirm aktiv werden kann. Für den Fall, dass der Rettungsschirm scheitert, wird ein Ende der gemeinsamen Währung befürchtet. Die Kläger, darunter CSU-Politiker Peter Gauweiler, befürchten ein unkalkulierbares Haftungsrisiko für Deutschland.
Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertritt rund 37 000 Bürger, die sich einer Beschwerde des Vereins "Mehr Demokratie" angeschlossen haben. Dies ist die größte Verfassungsbeschwerde in der deutschen Geschichte. Auch die Fraktion der Linken im Bundestag hat geklagt. Deutschland hat als einziges Euro-Land den ESM-Vertrag noch nicht ratifiziert. Ohne die Beteiligung des größten Mitgliedsstaats konnte der Rettungsschirm bisher nicht in Kraft treten.
Die Linkspartei hofft darauf, dass Karlsruhe den ESM und den europäischen Fiskalpakt zumindest teilweise stoppt. "Das ist ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz, und das darf so nicht durchgehen", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht kurz vor dem Karlsruher Urteil. "Wenn Karlsruhe nicht Ja sagt, dann muss das ganze Paket auf jeden Fall erneut in den Bundestag." Der ESM sei "der Einstieg in die Bankschulden-Union Europa, in der die Steuerzahler permanent für die Verluste der Finanzmafia zahlen".
Kurz nach der Urteilsverkündung kommt es im Bundestag zur sogenannten Generaldebatte über den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Um eine zeitliche Kollision mit der Karlsruher Urteilsverkündung zu verhindern, wurde die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach hinten geschoben - so kann sie direkt auf die Entscheidung reagieren.
Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) schloss in der "Rheinischen Post" aus, dass die Haftung für den deutschen Steuerzahler beim ESM noch höher als bislang bekannt ausfällt. "Die Haftung Deutschlands ist ganz klar auf 190 Milliarden Euro begrenzt", versicherte Kampeter.
Im Fall eines positiven Votums aus Karlsruhe könne der ESM schnell mit der Arbeit beginnen: "Wenn Deutschland den Vertrag ratifiziert hat, können die Gremien des ESM rasch ihre Arbeit aufnehmen. Der ESM ist innerhalb weniger Wochen funktionsfähig."
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), erwartet nach eigenen Worten eine positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat sei eine deutliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die entsprechenden Verträge zustande gekommen, sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Dies müsse die Messlatte des Bundesverfassungsgerichtes sein.