Karlsruhe bremst Schnüffelei
Das Verfassungsgericht zieht die Notbremse: Karlsruhe hat die umstrittene Vorratsdaten- speicherung teilweise ausgesetzt. Die AZ klärt wichtige Fragen.
Was wird gestoppt?
Seit 1. Januar müssen verdachtsunabhängig alle Telekommunikationsdaten – wer wann mit wem telefoniert hat, wo er sich bei Handytelefonaten befunden hat und wer wem E-Mails oder SMS geschickt hat – sechs Monate bei den Firmen gespeichert werden. Das läuft zwar weiter, aber die Richter ordneten an, dass die Strafverfolger nur unter strengen Bedingungen diese Daten sehen dürfen: Nur, wenn es um „schwere Straftaten“ geht; nur, wenn dieser Verdacht durch Tatsachen belegt ist und nur, wenn „die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert ist“.
Alle drei Bedingungen müssen erfüllt sein. Schwere Straftaten in diesem Sinne sind Mord, Totschlag, Raub, Erpressung, Entführung, Kinderpornografie, schwerer sexueller Missbrauch, organisierte Kriminalität, gravierende Fälle von Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Was heißt die Eilentscheidung für das endgültige Urteil?
Solche Eilanordnungen sind höchst selten, darauf weisen die Richter selbst hin – erst recht, weil es hier um ein Gesetz mit EU-Hintergrund geht, das Deutschland zwingend umsetzen muss. Dass Karlsruhe dennoch den Teil-Stopp verhängt hat, zeigt, wie groß die Zweifel der Richter an der Datenspeicherung sind. Sie gehen von einer „erheblichen Gefährdung des Persönlichkeitsschutzes“ aus, heißt es in dem Beschluss. „Eine Vielzahl von sensiblen Informationen über praktisch jedermann ist für staatliche Zugriffe verfügbar.“
Allerdings verfügten sie auch, dass die gesammelten Daten bis zum Haupt-Urteil gespeichert bleiben, damit die Strafverfolger eventuell doch noch darauf zugreifen können.
Wer ist für das Gesetz eigentlich verantwortlich?
Die EU. Die Idee kam nach dem 11. September 2001 auf, scheiterte aber zunächst. Nach den Zuganschlägen in Madrid gab es einen neuen Vorstoß, der schließlich 2006 vom Rat der Innen- und Justizminister verabschiedet wurde. Allerdings läuft noch eine Klage von Irland und der Slowakei dagegen. Danach legte das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vor, der die EU-Richtlinie in deutsches Recht gießt.
Was sind die politischen Folgen?
Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“, der zu den Klägern in Karlsruhe gehört, forderte den Rücktritt von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Diese ließ erklären, die Strafverfolger könnten mit der Karlsruher Entscheidung „gut leben“. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) begrüßte, dass die Daten weiter gesammelt und wenigstens bei schweren Straftaten verwendet werden dürfen. Grüne und FDP sprachen von einer schweren Niederlage der Regierung.
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