Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Märchenprinz der CSU

Bei einem Parteitag im Schloss hält CSU-Star KT zu Guttenberg Hof – und lässt Horst Seehofer nur die Rolle des Mannes von gestern. Alle fragen sich: Wann kommt der Wechsel an der Spitze?
Manchmal, im kleinen Kreis, da bricht es aus Horst Seehofer (61) heraus. Dann spricht er von „dem Adeligen“. Nicht mal seinen verächtlichen Unterton kann er dann verbergen. In seinem tiefsten Inneren weiß der CSU-Chef längst, dass seine Partei nicht mehr ihm, dem Ober-Bayern, der sich so gerne in der Rolle des Robin Hood sieht, folgt. Sie lechzt danach, dass der oberfränkische Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg (38) das Kommando in der CSU übernimmt. Er gibt ihr ein Gefühl wie im Märchen. Dem hat Seehofer nichts mehr entgegen zu setzen.
Am Samstag musste er auch noch zu Guttenberg in den Palast. Im barocken Pavillon des idyllischen Wasserschlosses Thurn bei Erlangen zelebriert der ganz bewusst den Parteitag seiner Oberfranken, demonstriert mit seiner Rede, dass er der künftige Parteichef ist – und legt einen Hauch von Monarchie über die Christsozialen. Genau das ist es, wonach nicht nur die Bayern schmachten. Karl-Theodor zu Guttenberg erfüllt mit seiner Frau Stephanie (33), der Ururenkelin des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck, die Sehnsüchte der Deutschen nach einer „Royal Family“.
Normalerweise finden CSU-Bezirksparteitage in verrauchten Wirtshaussälen oder tristen Stadthallen statt. Bei Guttenberg spazieren die Delegierten zu Walzerklängen durch den prächtigen Park der ehemaligen Ritterburg, die 1747 zum Lustschloss umgebaut wurde. Seehofer macht das sichtbar keine Lust. Er habe auch ein „Refugium“, giftet er draußen vor der Tür. Sein Ferienhaus in Schamhaupten, im Altmühltal, wo er im Keller seine Modelleisenbahn baut und einsam durch die Wälder streift.
Mit dem „Romantiksaal“ kann das sicher nicht mithalten. In herrschaftlichem Ambiente zwischen drei großen Kristall-Lüstern, Spiegeln und Säulen tagt Guttenbergs CSU. Bis vor 350 Jahren war das Schloss am südlichsten Zipfel Oberfrankens im Besitz seiner Familie. Jetzt gehört es dem Grafen Benedikt von Bentzel. Er gelt sein Haar wie Karl-Theodor zu Guttenberg, ist auch bei der CSU und veranstaltet sonst Ritterturniere und im „Romantiksaal“ Stuntshows. „Ein spannendes Duell direkt vor Ihren Augen“, heißt es im Schloss-Prospekt.
Ein Duell mit KTG aber will Seehofer um jeden Preis vermeiden. „Wir sind nicht im kalten Krieg“, sagt er. Und: „Es geht heute nicht darum, wer die schönere Krawatte trägt.“ Denn bei Krieg und Krawatte wäre er klar der Verlierer. Der Ingolstädter spürt, wie er im Schatten des jungen Adeligen versinkt. Guttenberg hat eine Hermès-Krawatte in CSU-Blau zum dunkelblauen maßgeschneiderten Designer-Jackett und grauer Flanell-Röhre gewählt. Wie aus dem Ei gepellt steht er neben Seehofer. Der trägt eine Krawatte mit tristen braunen Streifen zu einem viel zu großen schokofarbenen Anzug, der lange kein Bügeleisen mehr gesehen hat und seine schlaffen, hängenden Schulter noch betont.
Guttenberg steht für einen neuen Konservatismus. Für einen, der nichts mehr mit Spießertum und dumpfen Politparolen zu tun hat. Er verkörpert ein Lebensgefühl: lässig, modisch, fleißig, pflichterfüllt, intellektuell und mit gutem Benehmen. Seehofer steht für die Vergangenheit.
Mit dem Florett sticht Guttenberg zu: „Die Menschen verstehen, wenn man ihnen erklärt, wie man zu einer Entscheidung kommt. Was sie nicht verstehen ist, wenn man mal Hü, mal Hott sagt.“ Alle jubeln. Seehofer sitzt da wie versteinert. Oder: „Es hat sich herumgesprochen, dass ich nicht ganz konfliktscheu bin. Und wenn der Wind uns eisig entgegenweht, müssen wir stehen bleiben und nicht gleich umfallen.“ Seehofer schaut sich den Schlossplan an, der auf den Tischen liegt, als ob er schon nach dem Fluchtweg suche. Oder: „Ich will keine gemütliche Debatte.“
Politik, so gibt Guttenberg zu verstehen, sei nicht einfach nur schwarz oder weiß, gut oder schlecht. Er wolle die Probleme diskutieren und den besten Weg finden. „Wir hätten in den letzten 20 Jahren manche Diskussion führen müssen“, kritisiert er seine eigene Partei. Ob bei der Wehrpflicht. Ob bei der demographischen Entwicklung Deutschlands ( „Die wird uns noch mit Wucht treffen“) oder der Integration. „Sarrazin hat seine Finger auf eine klaffend offene Wunde gelegt“, sagt Guttenberg und warnt: „Aber man muss mit Verstand an eine Bestandsaufnahme gehen.“ Die werde sich fundamental von Sarrazins Schlussfolgerungen unterscheiden. „Wir müssen über den Wahltermin hinaus denken“, appelliert er an seine CSU. „Ob das, was wir machen, auch für die Zukunft tauglich ist.“
Horst Seehofer denkt da lieber an das Jetzt und versucht mit einem Ruck nach rechts den Sinkflug der CSU zu stoppen: „Multi-Kulti ist tot. Töter kann es gar nicht sein.“ Er fordert einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber: „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun.“ Dabei müsste er es aus seiner Heimat Ingolstadt eigentlich besser wissen. Dort hat die CSU längst umgedacht: 8000 Türken arbeiten überwiegend bei Audi und gehören dazu. Als Problem werden dort die Russland-Deutschen gesehen. Die haben eine christliche Kultur.
Angela Böhm