Kanzlerin verkniffen und mürrisch: Koalition in Dauer-Alarm
Seehofer fordert mehr Führung, die CDU will die Suche nach den Auftändischen abbrechen und Bundeskanzlerin Angela Merkel wiegelt ab. Doch bei Schwarz Gelb bleiben gefährliche Schäden zurück
Lustige Glatze, freundliches Gesicht: Peter Altmaier könnte man leicht unterschätzen, aber der Parlamentarische Geschäftsführer der Union ist eine der wichtigsten in der Merkel-Truppe: Umso gravierender, wenn er sagt: „Wir haben das unterschätzt.“ Und: „Wir haben da was aufzuarbeiten.“ Die Stimmung ist auf unterschwelligem Daueralarm in der Koalition. Vor und erst recht nach der Bundespräsidentenwahl.
Die Kanzlerin versucht weiter ihre Taktik: Politik der Dämpfung nach dem Motto: Was ist schon passiert? „Das glaube ich nicht“, sagt Merkel auf die Frage, ob die Arbeit der Koalition nach dem Wulff-Gewürge schwerer geworden sei. „Denn zu Schluss hatten wir ein eindeutiges Resultat.“ Das beeindruckt aber kaum jemanden. „Ab sofort muss Führung gezeigt werden“, forderte CSU-Chef Horst Seehofer nach dem x-ten und gründlich misslungen Versuche eines Neustarts: „Wir müssen durch tun überzeugen“, sagte Seehofer. Endlich müssten die großen Themenfelder wie Gesundheit und Haushaltsanierung angepackt werden.
Der Weg zurück zur Tagesordnung dauert aber länger. Das weiß auch FDP-General Christian Lindner, wenn er sagt: „Das Ergebnis zählt“, schließlich sei Wulff gewählt worden. Man solle nicht nach den Abweichlern suchen: „Gestern durften alle mal spekulieren“, sagte Lindner, „heute sollten wir gemeinsam Politik nach vorne machen“.
Die Suche nach den Abweichlern und Schuldigen ist aber im Gange, auch wenn sie kaum von Erfolg gekrönt sein dürfte. Bei allen drei Wahlgängen der geheimen Abstimmung über Wulff oder Joachim Gauck fehlten der Koalition mindestens 20 Stimmen, beim ersten Wahlgang waren es sogar 40.
Die Dissidenten werden wohl unerkannt bleiben, wenn sie sich nicht freiwillig outen. „Wir waren es nicht“, hatte Bayerns CSU-Fraktionschef Georg Schmid versichert. Was macht ihn so sicher: Wir hatten niemanden im Feuer“, sagt Wahlmann und Ex-Minister Thomas Goppel: „Endlich sind wir mal nicht schuld.“
„Wir waren es auch nicht“, behauptete FDP-Chef Guido Westerwelle. Das stimmt insofern nicht, als es in der FDP „vier angemeldete Gegenstimmen“ gab, wie Entwicklungsminister Dirk Niebel sagt. „Unangemeldete“ waren nicht vorgesehen.
Lasst uns nicht weiter suchen, lautet das Motto aus der CDU, die Wunden und die Gräben sollen nicht tiefer werden. Tatsächlich werden die Unzufriedenen in den Reihen der CDU vermutet. Da speziell in Hessen und in NRW. Im traditionell Konservativen Hessen-Landesverband stößt Merkels Öffnungskurs in die Mitte auf besonders viel Skepsis, dazu geben die Hessen der Kanzlerin die Schuld an der Resignation ihres Roland Koch. Vielleicht war es Kochs Eingreifen, der als „Elder Statesman in spe“ die Union vor dem entschiedenden Durchgang auf Kurs brachte.
Außerdem Grund zur Unzufriedenheit haben die Schwarzen in NRW. Sie könnten Merkel die Schuld am Machtverlust im größten Bundesland geben, mit der Demission von Jürgen Rüttgers steht die Union an Rhein und Ruhr kopflos da.
„Wir haben verstanden“, sagt CDU-General Hermann Gröhe am Tag danach. „Aber nicht nur den Denkzettel.“ In der Koalition sei „mehr Teamgeist erforderlich.“ Das war auch bei mancher Auseinandersetzung in am Tonfall in den letzten Tagen spürbar.“
Dass es besser werden könnte, glauben nicht alle im Regierungslager: „Bis heute ist die Koalition nicht in der Lage, Strategien und Themen rüberzubringen an die Bürger“, sagt Wolfgang Gerhardt. Dass der einstige FDP-Chef recht haben könnte, bestätigt indirekt auch Unions-Fraktionsgeschäftsführer Altmaier: Sonst ist er nie um ein Wort verlegen: Auf die Frage, ob Schäden und Beschädigungen bleiben, sagt er nichts.
Matthias Maus