Kanzlerin Merkel spricht in Gillamoos

Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch bei der CSU auf dem Gillamoos: Kritiker Dobrindt zähmt sie durch Nähe – sie könnte aber auch anders
Jede Sekunde kostet Bundeskanzlerin Angela Merkel aus: „Alexander, bist du auch noch da?” dreht sie sich um und pfeift den CSU-Generalsekretär zu sich her. Dobrindt, der ihr eine Breitseite in Sachen Griechenland verpasst hat, geht im gebührenden Abstand zur Kanzlerin. Nun soll er hautnah neben ihr spüren, wem die Menschen zu Füßen liegen, selbst im schwarzen Niederbayern, mitten im weiß-blauen Bayernland.
„Angie”, „Angela”, „hallo”, die Abensberger sind außer Rand und Band. Hunderte strecken der Kanzlerin ihre Hände entgegen. Die greift immer wieder zu: „Wie geht's Ihnen?” gibt sie sich volksnah. Schreibt Autogramme, lässt sich fotografieren. Ein Menschenspalier bereitet ihr einen Triumphzug auf dem Gillamoos, dem zweitwichtigsten politischen Schlagabtausch in Bayern nach dem Aschermittwoch.
Ob Dobrindt sich inzwischen ausgesprochen hat mit der Kanzlerin? „Bei der lauten Musik hört ma nix”, gibt er sich schwerhörig und verteidigt seine Position: „Wenn auch der Präsident der Bundesbank warnt, dass man nicht den falschen Weg einschlagen darf, bestätigt mich das.”
Nun soll aber erstmal alles richtig laufen auf dem Weg ins Hofbräuzelt, wo mehr als 3000 Merkel-Fans seit drei Stunden auf Bundeskanzlerin Angela Merkel warten. „Kruzifix, wo ist die Musikkapelle?”, gehen dem Gastgeber und örtlichen Landtagsabgeordneten Martin Neumeyer die Nerven durch. Merkels Zeremonienmeister Leisner von der CDU sorgt für Ruhe: „Aussteigen, Leute, Einmarsch, Zelt, Ruhe”, gibt er die Marschrichtung vor dem Auftritt vor.
Merkel kommt pünktlich um elf Uhr. Die Luft im Hofbräuzelt ist heiß und biergeschwängert. Merkel, im lila Blazer zur beigen Hose, verzieht ihr Gesicht. Vor zehn Jahren war sie schon mal da. Damals noch als CDU-Vorsitzende, um Edmund Stoiber bei seiner Kanzlerkandidatur zu unterstützen. Jetzt ist sie Kanzlerin und Horst Seehofer braucht ihre Hilfe, um die Macht in Bayern zu verteidigen.
Einen Trachtenhut hat ihr die Abensberger CSU damals geschenkt. Ob sie den noch hat? „Was glauben Sie?” fragt Merkel gereizt. „Ich schmeiß doch nichts weg.” Das Zelt tobt. So wie einst bei CSU-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg. Das ganze Zelt steht auf den Bänken. „Wir vertrauen Ihnen, wir trauen Ihnen, wir stehen zu Ihnen”, begrüßt Martin Neumeyer nun auf dem Podium Bundeskanzlerin Angela Merkel. Drunten sitzt Dobrindt und hört zu.
Die Kanzlerin klappt am Rednerpult ihre braune Mappe auf, in der ihr Manuskript liegt, und kommt gleich auf den Punkt, als würde sie es dem Alexander da unten in einem bayerischen Bierzelt jetzt mal so richtig einbläuen wollen: „Wenn's drauf ankommt, halten CDU und CSU zusammen.” Die Menge applaudiert.
Viele der mehr als 3000 haben erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihnen ihren Weg aus der Eurokrise erklärt, sie beim Thema Rente beruhigt. Merkel aber erklärt lieber, warum Bayern so stark ist: „Weil es seine eigenen Wurzeln pflegt.” Und lobt: „Deutschland ist Triple-A. Für Bayern bräuchte es noch eine Sonderkategorie: AAA, Stern, Stern, Stern!” Horst Seehofer preist sie für seine „vorausschauende Politik”, dass er Bayern bis 2030 schuldenfrei machen will, und verspricht, ihm im Wahlkampf zu helfen.
Nach all dem Bayern-Lob folgt das Eigenlob. Merkel präsentiert sich oben auf der Bühne als Weltpolitikerin, der Dobrindt, der Provinzpolitiker da unten, zuhören muss.
„Wie schafft man es mit 80 Millionen Menschen, die sieben restlichen Milliarden zu überzeugen, dass unser Weg der richtige ist?", fragt Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Bierzelt. „Wir müssen selbstbewusst mit den anderen sprechen” , erklärt sie. Mit den Chinesen, den Indern und den Afrikanern.
Nur den Euro fertigt sie schnell ab. „Wir wollen eine Stabilitätsunion und keine Schuldenunion”, erklärt sie und appelliert: „Diese Länder brauchen unsere Solidarität, dass sie die Schwierigkeiten überwinden.” Das war's dann auch schon.
Nach einer halben Stunde steigt der Lärmpegel im Zelt. Denn 3000 wird's langsam langweilig. Merkel kommt nach knapp 40 Minuten zum Ende. Zum Abschied gibt's noch die Merkel-Hymne. „Angie”, spielt die Kapelle. Und das ganze Zelt singt mit. „All your kisses still taste sweet”, trällert der Sänger. Merkel wiegt ihre Hüften im Takt. Dobrindt klatscht zaghaft mit. Die Kanzlerin, die sonst keine Regung zeigt, scheint für einen Moment gerührt. Unter dem linken Auge wischt sie sich einen Tropfen weg. War's Schweiß, oder gar eine Träne?
Thomas Jackermeier (20) von der CSU in Teugn ist enttäuscht: „Des war halt a Standardrede. Zur Eurokrise wollt sie nix sagn, weil da wär's in an Engpass neikomma."
Merkel ist da schon auf dem Weg nach draußen. Am Holzstand von Xaver Michl macht sie Halt. Zielsicher nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Sauerkrautstampfer in die Hand und fragt: „Was ist denn das?” Ob sie den gegen Alexander Dobrindt gebrauchen könnte? Merkel schaut das Gerät nochmal an und befindet: „Ein bisschen zu klein.”