Kampf um jede Stimme
Obama geht mit hauchdünnem Vorsprung auf die Zielgerade der spannendsten Wahl der US-Geschichte. Wieder einmal könnten Gerichte ein entscheidendes Wort mitreden.
Washington - Es wird ein Wimpernschlagfinale. Barack Obama oder Mitt Romney – kaum jemand wagt sich so klar aus der Deckung mit einer Prognose wie der Mannheimer Politikwissenschaftler Thomas Gschwend. „Die Sache ist gelaufen – für Obama.“ Wenn er sich da mal nicht täuscht. Am Ende, auch das ist möglich, könnten wieder einmal Gerichte ein entscheidendes Wörtchen mitreden, wie im Jahr 2000.
In den entscheidenden Swing States (siehe unten) liegen die Kandidaten so dicht beieinander, dass sich die Demoskopen auch irren können. Es ist eine der spannendsten Wahlen der US-Geschichte. In Ohio, das bisher immer an den späteren Präsidenten ging, liegt Obama bei sieben von acht Umfrageinstituten vorn. In Florida, einem weiteren „Battleground-State“ ist es umgekehrt: Hauchdünn für Mitt Romney. Beim Stichwort Florida werden Erinnerungen an die Wahl vor zwölf Jahren wach (siehe unten).
Auch jetzt könnten Gerichte eine wichtige Rolle spielen, je enger die Wahl, desto wichtiger. In umkämpften Staaten haben die Behörden Wahllokale, in denen die Bürger früh wählen können, trotz langer Warteschlangen pünktlich geschlossen. „Willkürlich“, sagen Obamas Anwälte, und kündigen rechtliche Schritte an. Das Frühwählsystem ist ein wichtiger Faktor für Obamas Wiederwahl. In den Schlangen von Ohio standen mehrheitlich Schwarze – Obamas Stamm-Klientel.
Am letzten Tag der „Silly Season“, wie die Amerikaner den Wahlkampf auch nennen, hetzten die Kandidaten noch durch umstrittene Staaten. Wisconsin Ohio und Iowa standen auf dem Tourplan des Präsidenten. Romney tourte auch noch nach Pennsylvania. Der Staat gilt eher als Obama-nah, aber die Lücke schloss sich auch hier zuletzt – es geht um jede Stimme.
Romney forderte im Endspurt immer wieder „echten Wandel“ – und übernahm damit demonstrativ die Wahlkampfparole Obamas aus dem Jahr 2008. „Wenn Sie glauben, dass Amerika es besser kann, müssen sie für echten Wandel stimmen“, rief Romney.
Obama konterte: „Wir wissen, was Wandel bedeutet. Wir wissen, was in der Zukunft notwendig ist“, sagte er vor Anhängern in Florida. „Und wir wissen, dass es nicht einfach sein wird.“ Erneut warf er Romney vor, eine Politik für die Reichen anzustreben.
Den Wahltag wird Obama in seiner Heimatstadt Chicago verbringen. Romney will in Boston beobachten, ob ihm sein Kunststück gelingt, aus aussichtsloser Position doch noch das Weiße Haus zu erobern.
Politologe Gschwend hält das für nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich: „Alle Zahlen deuten auf Obama hin“, sagt er: „Nur ein bedeutender Stimmungsumschwung“ könne das noch ändern.
Mitt liebt Ann - Barack liebt Michelle
Mitt Romney (64) geboren in Detroit Michigan, ist mehrfacher Millionär, war Investmentbanker und Gouverneur von Massachusetts. Seit 1969 ist er mit Ann verheiratet, die ihm zuliebe zum Mormonentum konvertierte.
Die beiden haben fünf erwachsene Kinder und 16 Enkelkinder. Anns Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner trug maßgeblich dazu bei, Romney etwas menschlicher erscheinen zu lassen. Eigentlich hält sie sich zurück, beim pinken Kostüm, das sie bei der TV-Debatte trug, machte die 63-Jährige eine Ausnahme.
Barack Hussein Obama, geboren am 4. Juli 1961 in Honolulu, ist wie Romney Harvard-Professor. Er startete seine politische Karriere in Chicago. Der Glanz der ersten Jahre ist etwas verblasst, der seiner Frau nicht. Michelle Obama, (48) ist populärer als ihr Mann.
Sie war schon Anwältin in der Chicagoer Kanzlei, in der Barack Praktikant war. Später, nach der Heirat 1962, stellte sie ihre Karriere zurück. Die beiden Töchter Sasha (11) und Malia (14) sind weitere Trümpfe im Wahlkampf. Keine Rede, in der Barack nicht seine Töchter und seine Ehefrau erwähnt hat.