Kampf bis aufs Blut
KIEL - Beispielloser Kleinkrieg in Kiel: Die SPD zwingt CDU-Ministerpräsident Carstensen jetzt in eine gefakte Vertrauensabstimmung – nachdem der noch eine Falsch-Aussage eingeräumt hat
Hauen und Stechen, nächste Runde: Nach dem Bruch der Koalition in Kiel ist gestern die CDU mit ihrem Versuch gescheitert, sich den Landtag selbst auflösen zu lassen. Direkt danach stellte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen die Vertrauensfrage, in der Hoffnung, dass sie gegen ihn ausfällt – um den Weg zu Neuwahlen freizumachen. Die Abstimmung darüber ist am Donnerstag. Und gestern hat Carstensen auch noch die vier SPD-Minister rausgeworfen.
Diese Legislaturperiode in Schleswig-Holstein steht unter keinem guten Stern: Sie begann mit dem Gau von Heide Simonis (SPD) bei ihrem Versuchen, sich zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Sie scheiterte an einem SPD-Abweichler – der Verdacht fiel auf Ralf Stegner, was dieser stets bestritten hat. Weil gar nichts anderes ging, schlossen Stegner und Carstensen eine Koalition, in der es von Anfang an gekracht hat. Doch auch der Weg zu Neuwahlen besteht aus einem beispiellosen Gezerre mit Verfahrenstricks in Grauzonen und massiven gegenseitigen Vorwürfen.
"Soll er halt zurücktreten"
CDU, FDP, Grüne und SSW stimmten gestern für die Auflösung des Landtags. Weil die SPD aber geschlossen dagegen stimmte, wurde die Zwei-Drittel-Mehrheit verpasst. Carstensen zeigte sich „erstaunt“ über das Verhalten der SPD, diesen „offenen und ehrlichen Weg“ zu Neuwahlen zu verweigern. Stegner konterte, wenn Carstensen einen einfachen Weg suche, solle er halt zurücktreten.
Unmittelbar danach stellte der CDU-Ministerpräsident die Vertrauensfrage. „Sie lassen mir keine andere Wahl“, sagte er. Über ein Verlieren dieser Abstimmung, die laut Verfassung erst 48 Stunden nach der Frage selbst stattfinden darf, will er Neuwahlen erzwingen. Er selbst nennt das „fingiert“, Verfassungsrechtler sprechen von einer „unechten Vertrauensfrage“. CDU, FDP und Grüne wollen in seinem Sinne abstimmen. Das reicht ihm, selbst wenn ihm – ausgerechnet – die SPD das Vertrauen aussprechen würde.
"Er hat zwei Mal wissentlich die Unwahrheit gesagt"
Offensichtlich, um dieser Option gründlich vorzubeugen, setzt Carstensen nun komplett auf Konfrontation: Er entließ die vier SPD-Minister fristlos. In der Vergangenheit hatte er sie - anders als Fraktionschef Stegner - für ihre inhaltliche Arbeit immer gelobt.
Zunder bekam die Debatte durch Carstensens Eingeständnis, beim Grund des Koalitionsbruchs die Unwahrheit gesagt zu haben. Die SPD hatte seine Aussage für falsch erklärt, dass er sie über eine umstrittene Millionen-Zahlung an einen Landesbanker informiert habe. Wegen dieser Beschwerde sah Carstensen das Verhältnis zerrüttet. Eine Woche später gab er nun zu, dass seine Aussage tatsächlich falsch war.
„Wir können und müssen feststellen, dass Carstensen zwei Mal wissentlich die Unwahrheit gesagt hat“, sekundierte der General der Bundes-SPD, Hubertus Heil. Einmal bei der Landesbank-Aussage, einmal bei der Behauptung, die SPD sei schuld am Bruch. Nach einer neuen Umfrage würde Schwarz-Gelb Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt trotz leichter CDU-Verluste gewinnen, die SPD hätte drastische Einbrüche. tan