Kalter Krieg um Nato-Beitritt der Ukraine

Einen Tag vor Beginn des Nato-Gipfels hat sich die Diskussion um einen Beitritt der Ukraine verschärft. Die USA sind dafür, Frankreich und Deutschland dagegen. Russland droht die Freundschaft mit der ehemaligen Sowjetrepublik zu beenden. Anne Grüneberg über einen neuen, alten Schlagabtausch.
Präsident Viktor Juschtschenko strotzt vor Zuversicht: Das ukrainische Volk werde einen Nato-Beitritt seines Landes bei einem Referendum unterstützen, sagte er anlässlich des Besuchs von US-Präsident George W. Bush am Dienstag in Kiew. «Die ukrainische Nation ist weise, ich bin davon überzeugt, dass sie bei dem Referendum eine positive Entscheidung treffen wird.» Von Bush erhielt er Rückendeckung. Der wolle die Aufnahme der Ukraine in das Vorbereitungsprogramm der Nato «voll und ganz» unterstützen.
Auf dem Gipfel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest will die Nato ab Mittwoch über eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens beraten. Vor allem bei der Ukraine sind die Partnerländer uneins. Etliche Mitglieder haben im Vorfeld der Beratungen Zweifel gegenüber einem derzeitigen Beitritt des Lands geäußert. Und das Thema spaltet nicht nur das Bündnis, sondern vor allem die Bevölkerung der Ukraine. Dort hatten am Montag mehrere tausend Anhänger vornehmlich linker Parteien auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Kiew gegen Bushs Besuch und die angestrebte Nato-Mitgliedschaft protestiert. Laut einer Umfrage hält die Mehrheit der ukrainischen Bürger von Juschtschenkos Plänen nichts, berichtet die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti.
Freundschaftsvertrag in Gefahr
Auch in Russland ernten Juschtschenkos Bemühungen heftige Kritik. In der Staatsduma wurde am Dienstag die Verlängerung des russisch-ukrainischen Vertrages debattiert - und infrage gestellt. Das Abkommen macht Russland und die Ukraine seit 1997 zu strategischen Partnern. Beide Länder verpflichten sich darin, auf Handlungen zu verzichten, mit denen die Sicherheit der anderen Seite beeinträchtigt werden könnte. «Eine Reihe von russischen Parlamentariern ist der Auffassung, dass Russland im Falle des Anschlusses der Ukraine an den Aktionsplan für Nato-Mitgliedschaft aus dem Vertrag austreten muss», sagt Alexej Ostrowski, Vorsitzender des Staatsduma-Ausschusses für GUS-Fragen. Der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin gab zu bedenken, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine sich auf die gesamteuropäische Sicherheit und auf die Beziehungen Kiews mit Moskau negativ auswirkte.
In Westeuropa werden derlei Signale ernst genommen: Deutschland und Frankreich wollen die Ukraine und Georgien nicht in den Aktionsplan für Mitgliedschaft (MAP) aufnehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine konkrete Heranführung beider Länder an die Nato für verfrüht. Sie stehe zwar grundsätzlich zur «Politik der offenen Tür» des Bündnisses, hieß es in Berlin. Die Mitgliedschaftsperspektive gelte «ohne Frage». Aber beide Staaten seien derzeit noch nicht reif dafür. Auch «Frankreich wird kein grünes Licht zur Aufnahme der Ukraine und Georgies geben», sagte Ministerpräsident Francois Fillon dem Rundfunksender France Inter. Eine Nato-Mitgliedschaft sei schlecht für das Machtgleichgewicht zwischen Europa und Russland. Italien und die Niederlande lehnen eine Annäherung der Ukraine an die Nato ebenfalls ab.