Kabinett will Neonazi-Datei am Mittwoch beschließen

Als Reaktion auf die jahrelang unentdeckt gebliebenen Morde von Rechtsterroristen wird das Bundeskabinett die neue Neonazi-Datei voraussichtlich am Mittwoch beschließen.
von  dpa

Berlin - Rechtsextremisten müssen künftig damit rechnen, in einer zentralen Datei von Bund und Ländern gespeichert zu werden. Als Reaktion auf die jahrelang unentdeckt gebliebenen Morde von Rechtsterroristen wird das Bundeskabinett die neue Neonazi-Datei voraussichtlich am Mittwoch beschließen.

Es sollen Daten von "gewaltbezogenen Rechtsextremisten" zentral erfasst werden. Auf diese Formulierung hatten sich das FDP-geführte Bundesjustizministerium und das CSU-geführte Bundesinnenministerium kürzlich geeinigt.

Nach Angaben des Justizministeriums werden Daten gespeichert von Menschen, "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie rechtsextremistische Bestrebungen verfolgen und in Verbindung damit zur Gewalt aufrufen". Betroffen sein sollen dann auch Personen, die rechtsextremistische Gewalt unterstützen oder vorbereiten. Damit würden auch rein finanzielle oder logistische Unterstützungen und damit alle Hintermänner und Drahtzieher von rechtsextremer Gewalt erfasst, hieß es aus dem Ministerium. Dagegen würden keine Daten von Menschen gespeichert, die Gewalt nur guthießen oder rein verbal befürworteten.

Die neue Datei solle dazu dienen, die Kontaktaufnahme zwischen den Behörden zu erleichtern. In der Regel bekämen die abfragenden Behörden Zugriff auf Grunddaten wie Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Anschriften und Foto eines aufgefallenen Rechtsextremisten. Für weitere Informationen müssten sich Polizisten und Verfassungsschützer an die Behörde wenden, die die konkrete Information in die gemeinsame Datei eingestellt hat.

Der Gesetzentwurf sieht auch die - begrenzte - Möglichkeit vor, die Daten hinsichtlich eines bestimmten Erkenntnisinteresses miteinander zu verknüpfen und zu analysieren. "Die Erfahrungen mit den Ermittlungen zu der "Zwickauer Zelle" haben gezeigt, dass eine solche Funktionalität erforderlich ist, um Zusammenhänge aufzuspüren und Netzwerkstrukturen aufzudecken", erklärte das Justizministerium. Für solche zeitlich befristeten Analyseprojekte müsse ein konkreter Anlass vorliegen. Diese Möglichkeit der erweiterten Datennutzung wird zunächst auf vier Jahre befristet.

Das Justiz- und das Innenministerium hatten mehrere Wochen über den Gesetzentwurf verhandelt. Erste Pläne ihres Kabinettskollegen Hans-Peter Friedrich gingen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu weit. Der dann erzielte Kompromiss stieß schon auf Kritik aus den Ländern - sie halten die Datei für nicht weitreichend genug. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern, bemängelte jüngst in der Tageszeitung "Die Welt": "Ich hätte mir gewünscht, dass zu Auswerte- und Analysezwecken Daten von Gewaltbereiten und Gewaltbefürwortenden in die Datei aufgenommen werden."

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