Kabale und Liebe bei Frankreichs Sozialisten

Besser als jede Telenovela: Die französischen Sozialistinnen Ségolène Royal und Martine Aubry kämpfen um die Macht in der Partei. Die eine ist die Ex-Freundin des amtierenden Parteichefs, die andere die Tochter eines angesehenen Parteigranden. Es geht um Betrug und Manipulation, die Zukunft der größten französischen Oppositionspartei und viel verletzte Eitelkeit.
Liebe, Hass, Eifersucht, Leidenschaft – aus solchem Stoff sind Telenovelas gestrickt. Meist ringen darin so genannte starke Frauen mit dem Leben und seinen allerlei Widrigkeiten. Doch die besten Geschichten passieren nicht im Fernsehen. Der Führungskampf in der größten Oppositionspartei bietet derzeit mindestens genauso unterhaltsame Kabale und Liebe.
Die Hauptdarstellerinnen. Auf der einen Seite wäre da Ségolène Royal. Die ätherisch schöne 55-Jährige ist eine tragische Figur. Sie unterlag Nicolas Sarkozy bei der Präsidentschaftwahl knapp. Ségo ist der Typ Prinzessin: Zierlich, bourgeois, beliebt beim Volk. Wenn sie etwas nicht haben kann, kann sie ganz schön zickig werden. Ihre Gegenspielerin ist Martine Aubry (58). Der bodenständige Kumpeltyp zum Pferdestehlen. Die linke Ex-Arbeitsministerin wird von vielen Genossen unterstützt. Insgeheim plagt Martine aber die Eifersucht auf die elegante, von den Medien umschwärmte Ségo und ihre "Kapriziosen". Kann ganz schön intrigant sein.
Das Objekt der Begierde. Der Vorsitz der Parti Socialiste (PS) – der goldene Eintrittsschlüssel für den Elysée. Der Parteichef hat das erste Zugriffsrecht auf eine Präsidentschafts-Kandidatur.
Das Drama. Wahlnacht, Herzschlagfinale. Die Kontrahentinnen warten auf das letzte Ergebnis. Die Entscheidung fällt in der Karibik: "Siegerin ist Martine Aubry", meldet das Überseedepartement Guadeloupe. Die Bürgermeisterin von Lille hat gewonnen, ganz knapp, mit nur 42 Stimmen. Ségo ist fassungslos: "Du bist unersättlich Martine, Du willst meinen Sieg nicht anerkennen!", keift sie auf einer Pressekonferenz. Lug und Betrug liegen in der Luft. Im Norden Frankreichs, Martines Heimat, sei die Wahl manipuliert worden, insistiert das Royal-Lager. "Ich verstehe deine Enttäuschung", giftet Martine triumphierend zurück. "Aber ich habe gewonnen." Ségo gibt nicht klein bei – "ich werde die Wahl anfechten!"
Der Showdown. Seit gestern tagt die parteiinterne Untersuchungskommission unter Vorsitz des aktuellen PS-Parteichefs. Nur: Der heißt François Hollande und ist der untreue Ex-Lover von Ségolène Royal. Man erzählt sich, ihre Präsidentschaftskandidatur 2007 geschah nur aus Rache für seinen Betrug mit einer schönen TV-Journalistin. Martine Aubry dagegen hat mächtige Fürsprecher in der Parti Socialiste – dafür sorgt nicht nur der Herr Papa, Jacques Delors (Ex-Präsident der EU-Kommission).
Gibt’s ein Happy End? Das Psychodrama geht in die nächste Runde: Montagabend hat die Untersuchungskommission beschlossen, die Urabstimmung neu auszuzählen. Wenn es dann immer noch keine Lösung gibt, geht der Fall vor den Parteirat. Dort hat das Royal-Lager die Mehrheit. Austreten aus der Partei wolle sie auf keinen Fall, sagt Royal. Dann lieber noch jahrelang Aubry und ihr Gefolge triezen. Die Zukunft der Partei scheint ihr dabei herzlich egal. Französische Zeitungen haben für die PS bereits einen neuen Namen gefunden: "Parti Suicidaire" - die Selbstmordpartei. Und wenn sie nicht gestorben sind, streiten sie noch heute. Annette Zoch