Justizministerin: Türkei erwartet Aufarbeitung im Fall NSU

Acht türkischstämmige Kleinunternehmer waren unter den Opfern der NSU-Mordserie. Die Türkei erwarte deshalb eine gründliche Aufarbeitung, sagt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Istanbul. Auch der NSU-Ausschuss plant Gespräche in der Türkei.
dpa |
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Istanbul - Einiges sei bereits passiert, die Aufarbeitung sei aber noch längst nicht abgeschlossen, sagte die FDP-Politikerin am Freitag bei einem Besuch in Istanbul. Bei ihren Gesprächen in der Türkei sei klar geworden, dass auch die Menschen dort noch einiges von Deutschland erwarteten. Auch der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag will dazu in der Türkei Gespräche führen.

Die rechtsextreme Terrorzelle NSU soll in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet haben - darunter acht türkischstämmige Kleinunternehmer. Die mutmaßlichen Haupttäter, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, erschossen sich am 4. November 2011 bei Eisenach in einem Wohnmobil. Gegen die Überlebende des Trios, Beate Zschäpe, soll in Kürze Anklage erhoben werden.

"Natürlich können die unfassbaren Verbrechen nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte Leutheusser-Schnarrenberger in einer Rede an der Istanbuler Kultur-Universität. Der Fall sei noch lange nicht aufgearbeitet. "Die Frage der Auswirkungen auf die Sicherheitsarchitektur sind noch nicht beantwortet", sagte sie. "Da liegt noch einiges vor uns."

Deutschland habe "die sehr schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass wir eben nicht wach und aufmerksam genug waren", sagte die Ministerin. Dadurch habe eine kleine Gruppe rechtsradikaler Gewalttäter über ein Jahrzehnt lang unfassbare Verbrechen begehen können. "Das ist eine Schande für den Rechtsstaat."

In der Türkei herrsche Sorge über das Ausmaß des Rechtsextremismus in Deutschland, sagte sie. Die Türkei erkenne an, dass sich die Bundesregierung um Aufarbeitung bemühe. "Man erwartet aber noch mehr von uns." Bei ihrem viertägigen Besuch in der Türkei hatte die Ressortchefin zahlreiche politische Gespräche geführt, unter anderem mit ihrem Amtskollegen Sadullah Ergin.

Auch der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), will in wenigen Tagen in die Türkei reisen. Vom 11. bis 14. November plant er Gespräche in der Hauptstadt Ankara, wie sein Büro am Freitag auf dpa-Anfrage mitteilte. Für Februar oder März sei zudem eine Reise von mehreren Mitgliedern des Ausschusses angedacht, der seit Jahresbeginn die NSU-Verbrechen und die Ermittlungspannen bei der Aufklärung aufarbeitet.

Kritik an Edathy kam von der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Diese Rassismuskeule gegen die Polizei ist unerträglich", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt der Wochenzeitung "Junge Freiheit". Ein Jahr nach dem Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle gehe es für die Polizei und andere Sicherheitsbehörden darum, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. "Dabei brauchen wir die Unterstützung der Politik und keine unqualifizierten Beschimpfungen einiger Politiker."

Edathy hatte am Donnerstag "Struktur- und Mentalitätsprobleme" beklagt und kritisiert, dass in großen Teilen der Sicherheitsbehörden immer wieder hartnäckig geleugnet worden sei, dass es in Deutschland Rechtsterrorismus geben könne. Notwendig sei etwa die Einstellung von besser qualifizierten und sensibleren Mitarbeitern, die nicht "in solchen Stereotypen denken".

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