Journalist durfte nicht zur Siko - wegen Trillerpfeife
München - Willkommen in Bayern, hier vergisst die Polizei nichts: Weil er als Student im zweiten Semester beim Gelöbnis der Bundeswehr auf dem Münchner Marienplatz in eine Trillerpfeife geblasen hatte, wurde ein Journalist fünf Jahre später zum Sicherheitsrisiko. Das Polizeipräsidium der Landeshauptstadt und das Landeskriminalamt sorgten dafür, dass er zur 50. Münchner Sicherheitskonferenz (Siko), die Ende Januar im Hotel Bayerischer Hof stattfand, nicht zugelassen wurde. Jetzt beschäftigt sich der Landtag mit dem Fall.
Offenbar hatten die Sicherheitsbehörden Schlimmstes befürchtet, wenn Tobias Schulze, der inzwischen für die Berliner „taz“ als Bayern-Korrespondent berichtet, Zugang zur Siko gehabt hätte. „Angesichts der Vielzahl von bewaffneten in- und ausländischen Personenschutzkräften hätte eine vergleichbare Aktion gegebenenfalls zu einer unkontrollierbaren Situation und hierdurch zur Gefährdung von Veranstaltungsteilnehmern und der Person selbst führen können“, rechtfertigt sich Innenminister Joachim Herrmann jetzt auf eine Anfrage der Münchner Grünen-Abgeordneten Katharina Schulze.
Dabei dramatisiert er: Die Person habe damals auch wiederholt „Mörder“ und „Bundeswehr raus aus Afghanistan“ gerufen. Außerdem habe sie noch kleine Flyer mit der Aufschrift „Gelöbnix“ in Richtung der stehenden Rekruten geworfen. „Einige dieser Zettel, circa 20 Stück, flogen in den abgesperrten Bereich und auf die Rekruten selbst“, behauptet Herrmann.
Davor sollten offenbar die rund 20 Staats- und Regierungschefs sowie über 50 Außen- und Verteidigungsminister geschützt werden, die an der Konferenz teilgenommen hatten. Darunter UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Außenminister John Kerry, sein russischer Kollege Sergej Lawrow und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko, die vor allem über die Ukraine diskutierten.
Nur: Woher hat Bayerns Innenminister so genaue Informationen von vor fünf Jahren? Das will die Grüne Katharina Schulze nun wissen. Denn das Verfahren gegen den Studenten wegen „Nötigung“ wurde sofort eingestellt. Per Einschreiben erhielt er sogar die Trillerpfeife zurück. Die eigentlich gar nicht seine war. „Ich hatte mir das damals spontan angeschaut“, sagt Tobias Schulze zur AZ. Neben ihm habe die Polizei einen Demonstranten in Handschellen abgeführt. Dessen Trillerpfeife sei auf den Boden gefallen. „Da hab ich sie aufgehoben und empört ein Mal hineingeblasen. Schon hatte ich auch Handschellen um.“
Flyer aber habe er überhaupt nicht verteilt. „Davon höre ich zum ersten Mal.“ Auch im Sicherstellungsprotokoll der Polizei vom 30.7.2009 ist davon keine Rede. Aufgeführt wurde dort nur „1 Pfeiffe, weiß, mit Aufdruck ver.di“.
„Einen Journalisten einfach in die Ecke zu stellen, geht nicht“, empört sich die Grüne und fordert Aufklärung. Katharina Schulze: „Pressefreiheit ist ein hohes Gut und die Trillerpfeife von damals nur Pipifax."