John F. Kennedy: Hoffnung mit tödlichem Ende

Große Erwartungen: Die "tausend Tage" des John F. Kennedy begannen vor genau 60 Jahren. Warum JFK ein Mythos wurde.
von  Andreas Etges
Vor einer Zitterpartie am Wahlabend des 8. November vor 60 Jahren: John F. Kennedy auf Wahlkampftour 1960 in Detroit, Michigan.
Vor einer Zitterpartie am Wahlabend des 8. November vor 60 Jahren: John F. Kennedy auf Wahlkampftour 1960 in Detroit, Michigan. © Foto: TonyxSpinax/ Imago

Mehr Amerikaner als jemals zuvor nahmen an der Präsidentschaftswahl teil, die Auszählungen zogen sich hin. Als der demokratische Präsidentschaftskandidat gegen 4 Uhr morgens ins Bett ging, stand noch kein Sieger fest. Erst Stunden später wurde verkündet, dass er Kalifornien, und damit die Wahl gewonnen habe.

Die noch auszuzählenden Briefwahlunterlagen im bevölkerungsreichsten US-Staat ergaben später, dass die Mehrheit hier für seinen republikanischen Gegner gestimmt hatte. Dennoch reichte es für eine den ersten Blick mit 303 zu 219 deutliche demokratische Mehrheit im Electoral College. Doch sie beruhte auf äußerst knappen Ergebnissen in mehreren Einzelstaaten. Von den fast 75 Millionen abgegebenen Stimmen hatte der schließlich erfolgreiche demokratische Präsidentschaftsbewerber nur etwa 113.000 Stimmen mehr erhalten und damit 49,72 Prozent gegenüber 49,55 Prozent für die Gegenseite.

Das Land war gespalten, und der unterlegene Republikaner zweifelte die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses an. Die Anfechtung des Wahlergebnisses in Staaten wie Texas und Illinois scheiterte jedoch. Und so wurde John F. Kennedy vor 60 Jahren, am 8. November 1960, zum amerikanischen Präsidenten gewählt. Sein republikanischer Gegenkandidat Richard Nixon erkannte schließlich die eigene Niederlage an.

Der jüngste Mann im Weißen Haus

Der "Mann für die 60er", wie die Wahlkampfposter verkündet hatten, brachte einen neuen Stil in die Politik. Mit erst 43 Jahren war er der jüngste Mann, der je ins Weiße Haus gewählt wurde - und weit jünger als die anderen Staatsmänner seiner Zeit. Kennedy, der sich fast perfekt des Mediums Fernsehen bediente, wurde zum ersten Popstar unter Amerikas Politikern. Gemeinsam mit seiner Frau verstand er es, die Präsidentschaft glanzvoll zu inszenieren. Unter der Leitung von Jackie Kennedy erstrahlte das Weiße Haus bald in alter Pracht und wurde zu einem kulturellen Zentrum des Landes.


Der neue amerikanische Präsident entwickelte mit seinen jungen und hoch motivierten Beratern eine beeindruckende Palette an Reformvorschlägen und Initiativen. Doch ihm fehlte ein Mandat für weit reichende Reformen. Zudem stand ihm eine Mehrheit aus oppositionellen Republikanern und konservativen Demokraten aus den Südstaaten gegenüber. Auch deshalb agierte Kennedy bei der Durchsetzung der Bürgerrechte für Afroamerikaner nur zögerlich. Erst im Sommer 1963 stellte er sich endlich eindeutig hinter die Bürgerrechtsbewegung und kündigte eine Gesetzinitiative an. Das wirkte sich negativ auf seine von keinem anderen Präsidenten erreichten durchschnittlichen Umfragewerte von 70 Prozent Zustimmung aus, die deutlich sank.

Krisen und globaler Wettstreit

Es waren die Außenpolitik und internationale Krisen, die seiner Amtszeit weitgehend den Stempel aufdrückten. Kennedy war ein überzeugter Kalter Krieger, der die USA in einem globalen Wettstreit mit der Sowjetunion sah. Das galt auch für das Weltall, weshalb das Mondlandeprogramm mit gigantischen Summen unterstützt und forciert wurde. Der Versuch, den kubanischen Machthaber Fidel Castro durch eine Invasion in der Schweinebucht zu stürzen, scheiterte kläglich und beschädigte Kennedys Ansehen wenige Monate nach Amtsantritt. In Vietnam erhöhte Kennedy das militärische Engagement der USA deutlich. Er lehnte wiederholt Forderungen seiner militärischen Berater ab, Bodentruppen in das Land zu schicken, doch er hatte auch einen Coup gegen den südvietnamesischen Staatschef mit zu verantworten, der die Lage in dem Land noch schwieriger machte.

JFK: "ich bin ein Berliner!"

Um die Freiheit der West-Berliner zu verteidigen, wäre Kennedy zum Krieg bereit gewesen. Den Bau der Mauer im August 1961 verurteilten die USA zwar, doch tatsächlich war die US-Regierung erleichtert, weil dies zu einer Stabilisierung Ostdeutschlands beitragen und so die gefährliche Lage in Berlin entspannen würde. Kennedys umjubelter Berlin-Besuch im Juni 1963, der erste eines amerikanischen Präsidenten seit 1946, war auch eine Wiedergutmachung dafür, dass die US-Regierung zwei Jahre zuvor dem Bau der Berliner Mauer fast tatenlos zugesehen hatte.

Als Folge war die Glaubwürdigkeit der westlichen Schutzmacht beschädigt worden. Auch mit dem Satz "Ich bin ein Berliner", den seine Frau als den vielleicht berühmtesten Aussprach ihres Mannes bezeichnete, räumte Kennedy letzte Zweifel am amerikanischen Schutzversprechen aus.


Die Kubakrise im Oktober 1962, ausgelöst durch die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf der Karibikinsel in der Nähe der USA, brachte die Welt an den Rand eines Atomkrieges. Dafür trug auch das Weiße Haus eine Mitschuld. Als Kennedy und der sowjetische Staatschef Chruschtschow erkannten, dass ihnen die Kontrolle zu entgleiten drohte und ein kleiner Zwischenfall zu einem Dritten Weltkrieg führen könnte, lenkten beide ein.

Das glückliche Ende der Kubakrise führte auf beiden Seiten zu einem Umdenken und öffnete den Weg für entspannungspolitische Initiativen wie ein Atomteststoppabkommen und die Einrichtung des "heißen Drahtes", einer direkten Telegrafenverbindung zwischen Washington und Moskau. Sommer 1963 hielt der amerikanische Präsident dann seine "Friedensrede", die die gefährliche Logik des Kalten Krieges in Frage stellte.

Kennedys Ermordung - ein nationales Trauma

Die Ermordung Kennedys am 22. November 1963 bedeutete das Ende eines großartigen Traums. Wer damals lebte, kann sich noch genau an den Moment erinnern, als die Nachricht eintraf. Es war als sei ein enger persönlicher Freund gestorben. "Danach hatte ich den Eindruck, dass Amerika seine Unschuld verloren hatte", schrieb der Astronaut John Glenn. Wie ihm ging es vielen. Der "Alptraum" begann mit dem Vietnamkrieg, der das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten schwer beschädigte und das Land im Inneren spaltete. Es folgten Studentenunruhen und gewalttätige Rassenkonflikte, die Ermordung von Bobby Kennedy und Martin Luther King im Jahre 1968 sowie die Watergate-Affäre mit dem Rücktritt von Präsident Richard Nixon. All das verstärkte das Bild einer verhängnisvollen Ereigniskette, die ihren Anfang scheinbar im November 1963 in Dallas genommen hatte. Im Umkehrschluss bedeutete das: Mit Kennedy hätte die amerikanische Geschichte einen anderen Verlauf genommen.

Sein Stern strahlte um so heller, je mehr sich der Himmel über Amerika verdunkelte. Von dem, was hätte sein können, was unerfüllt, unvollendet blieb, nährt sich der Kennedy-Mythos, dem Jackie den Namen "Camelot" gab, bis heute. Enthüllungen über seine Krankheiten und Affären, über Attentatsversuche auf Fidel Castro und andere dunkle Episoden seiner Politik ändern daran nur wenig. Die Sehnsucht nach einem Politiker wie Kennedy, der das "gute" Amerika verkörpert, hat auch Jahrzehnte nach Kennedys Tod nicht nachgelassen.

Verdienste um die Volksgesundheit und in der Armutsbekämpfung

John F. Kennedy hatte nur "tausend Tage", die großen Hoffnungen und Erwartungen zu erfüllen, die sein Amtsantritt bei vielen Menschen auslöste. Ihm gebührt das Verdienst, viele bis dahin wenig beachtete Themen ins öffentliche Bewusstsein gerückt zu haben. Das gilt für die Bekämpfung der Armut, ein Krankenversorgungsprogramm für bedürftige ältere Menschen oder die Reform der Einwanderungsgesetzgebung, um das antiquierte Quotensystem abzuschaffen.

Ohne Frage war Amerika in Kennedys Amtszeit in Bewegung geraten. Er hatte vor allem jungen Menschen den Glauben gegeben, dass sie mit ihrem eigenen kleinen Beitrag die Welt zu einem besseren Ort machen könnten: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann - frage, was du für dein Land tun kannst." Tausende junge Menschen bewarben sich beim Peace Corps, einem freiwilligen Entwicklungsdienst. Junge Afroamerikaner kämpften für die Bürgerrechte. Andere waren bereit, in Vietnam "jeden Preis zu zahlen" um die "Freiheit" gegen den Kommunismus zu verteidigen, wie es der Präsident in seiner Antrittsrede gefordert hatte.

Kennedy hätte die großen Erwartungen auch in einer zweiten Amtszeit kaum einlösen können. Sein früher Tod bewahrte ihn wohl davor, schon zu Lebzeiten entzaubert zu werden, aber durch seinen Tod wurde er eine Art Märtyrer. Sein Nachfolger Lyndon B. Johnson nutzte die gewandelte Stimmung im Land für ein groß angelegtes sozialpolitisches Reformprogramm und die Durchsetzung der Bürgerrechte für schwarze Amerikaner. Das wäre ohne den Lebenden - und wohl auch ohne den toten Kennedy - so nicht möglich gewesen.

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