Jörg Haider ist zurück: „Da, i hab a Herz für euch“
MÜNCHEN - Jörg Haider, Österreichs bekanntester und berüchtigster Politiker, kämpft um sein Comeback. Bei der Nationalratswahl am Sonntag könnte der alte Rechtsausleger eine entscheidende Rolle spielen.
Sechs Tage lang regiert in Salzburg Hanswurst. Rupertikirtag, das beliebteste Fest der Stadt. Brauchtum, Lebensfreude zum Jahrestag des Landespatrons. Mitten hinein in das bunte Treiben vor dem Dom platzt er: Jörg Haider, Österreichs bekanntester Politiker. Mit seinem rechtspopulistischen BZÖ („Bündnis Zukunft Österreich“) will der Kärntner Landeshauptmann am 28.September in das Bundesparlament in Wien einziehen. Die Chancen für ein Comeback des Gottseibeiuns stehen gut.
„Da, i hab a Herz für euch", sagt er und hängt das erste Lebkuchen-Wahlgeschenk einer jungen Dame um den Hals. In knalligem Orange steht nicht etwa BZÖ darauf, sondern einfach „Jörg". Der Mann ist die Partei, er ist das Programm, er ist die Show. Jörg Haider. 58 Jahre alt ist er mittlerweile, das Haar angegraut, aber er kommt noch immer jugendlich daher. Er trägt Jeans zur Kärntner Trachtenjacke. „A fescha Mann", sagt eine junge Mutter. Um ihren Hals baumelt das Jörg-Herz.
Im Tross des Politikers Wahlkampfhelfer, junge Damen in orangen Anoraks. „Deinetwegen - Österreich" steht darauf. Die Frauen tragen die Körbe mit den Lebkuchenherzen. „Dreihundert etwa haben wir heute dabei", sagt eine. Und da ist noch der Mann mit der Polaroid-Kamera. Er knipst jeden, der sich gemeinsam mit Haider fotografieren lassen möchte. Es sind Dutzende. Sie bekommen das Foto gleich in die Hand gedrückt, nachdem der BZÖ-Chef seine Unterschrift darauf gesetzt hat.
Er ist Programm, die Partei und die Show
Auch Anna hat ihr Haider-Bildchen. Sie lächelt darauf ein wenig schüchtern, er hat den Arm um ihre Schultern gelegt. „Der Haider schaut halt auf uns Österreicher", sagt die 39-Jährige und schiebt ungefragt eine Rechtfertigung nach. „Man muss nicht gleich ausländerfeindlich sein, wenn man an die eigenen Leut’ zuerst denkt“.
Drei Themen hat Haider: Kampf gegen die Teuerung, Hilfe für Mittelständler und das Abschieben von straffällig gewordenen Ausländern. Er nennt die Ausländerpolitik nicht mehr an erster Stelle. „Sind Sie geläutert?", will ein Schweizer Fernseh-Journalist wissen. Die Frage zielt auf Haiders fremdenfeindliche Politik und auf seine zahlreichen Äußerungen zu Österreichs Rolle im Nationalsozialismus. Damit hat er das politische Establishment im In- und Ausland bis zur Weißglut provoziert. Als Sprachrohr des „kleinen Mannes" aber blieb Haider über Jahrzehnte erfolgreich, er führte seine FPÖ von Erfolg zu Erfolg – mit bis zu 27 Prozent Stimmenanteil.
Einmal nur hat er sich völlig verrechnet. 1991 lobte er vor dem Kärntner Landtag die „ordentliche Beschäftigungspolitik" im Dritten Reich. Die über alle Parteigrenzen empörten Abgeordneten wählten Haider als Landeshauptmann ab.
Kriminelle Ausländer sind nicht mehr das größte Problem
Doch er kam zurück. 1999 als Landeshauptmann. Und im selben Jahr führte er die FPÖ bei der Nationalratswahl auf Platz zwei und in eine Koalition mit der ÖVP von Wolfgang Schüssel. Österreich zahlte mit den EU-Sanktionen einen hohen Preis.
Inzwischen hat sich das rechte Lager gespalten: in das von Haider 2005 gegründete BZÖ und die FPÖ unter Haiders Ziehsohn Heinz-Christian Strache. Im Vergleich zum demagogischen Polterer Strache tritt Haider fast schon moderat auf. Ruhiger ist der „Jörgl“ geworden und vorsichtiger in der Wortwahl. Das einstige Enfant Terrible gibt nun den Elder Statesman. Geläutert? – „In der Politik geht es doch immer darum, die richtigen Prioritäten zu setzen", sagt Haider. In der Tat sehen die Österreicher derzeit die gestiegenen Preise und nicht etwa kriminelle Ausländer als ihr größtes Problem.
Das bestätigt auch Karl, der auf dem Rupertikirtag seit Stunden an einem Bier-Tresen lehnt. Ob er diesmal BZÖ wählen wird, hat er noch nicht entschieden. Auch Karl hat sich fotografieren lassen mit dem Jörg. Er weiß noch nicht so recht, wo er das Bild hingeben wird, aber „wegschmeißen werd' ich's nicht, des is fix“.
Und dann, nach gut einer Stunde Wahlkampf, begegnet der Jörg einem, der nicht sein Fan ist. An einem Handwerkerstand drunten vor dem Café Tomaselli trifft der Haider-Tross auf den von Wilhelm Molterer, dem ÖVP-Politiker. „Servas", sagt der eine. „Wüllst mi leicht wählen", lacht ihm der andere entgegen. Und prompt hat auch der amtierende österreichische Vizekanzler ein Jörg-Lebkuchenherz um den Hals baumeln.
Stephan Kabosch
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