Joachim Gauck: "Was für ein schöner Sonntag!"
Nur die hohe Zahl von 103 Enthaltungen stört die Wahl des Konsens-Kandidaten. „Ich kann mir die Welt und das Land nicht denken ohne die Freiheit”. 126 Stimmen für Beate Klarsfeld
Der Applaus war lang und freundlich, die Blumen üppig und der Sieger gefasst stolz. 991 Delegierte der Bundesversammlung wählten Joachim Gauck zum 11. Bundespräsidenten - im ersten Wahlgang. Dennoch: Eine verblüffend hohe Zahl an Enthaltungen trübte die Jubelstimmung. 108 der 1232 Delegierten enthielten sich bei der Wahl des Kandidaten von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP. Und die Linken-Kandidatin Beate Klarsfeld bekam mit 126 Stimmen drei Stimmen mehr als die Linke-Fraktion stark ist.
Das Video von der Bundesversammlung:
Joachim Gauck, mit 72 Jahren ältester aller Bundespräsidenten, ließ sich nicht beeindrucken: „Was für ein schöner Sonntag” sagte der einstige Pastor und DDR-Bürgerrechtler in seiner Dankesrede.
Er erinnerte an den Tag vor 22 Jahren, an seine erste freie Wahl zur DDR-Volkskammer am 18. März 1990. „In jenem Moment war da in mir ein sicheres Wissen: Ich werde niemals eine Wahl versäumen.” Ganz sicher werde er „nicht alle Erwartungen, die an meine Person und meine Präsidentschaft gerichtet wurden, erfüllen können”. Aber: „Eines kann ich versprechen: Dass ich mit all meinen Kräften und meinem Herzen Ja sage zu der Verantwortung, die sie mir heute übertragen haben.” Viele Menschen hätten ihn ermutigt in den letzten Wochen. „Das gibt mir Hoffnung auf eine Annäherung zwischen den Regierenden und der Bevölkerung, an der ich nach meinen Möglichkeiten unbedingt mitwirken werde.”
Gaucks Rede im Video:
Es sei „der Mühe wert, unseren Kindern unser Land so zu hinterlassen, dass auch sie von 'unserem Land' sprechen können.” Auch als Präsident könne er sich die Welt und das Land nicht denken ohne Freiheit und Verantwortung. Er nehme diesen Auftrag mit Dankbarkeit an.
Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Schon heute nimmt er die Amtsgeschäfte auf. Die Vereidigung ist für Freitag vorgesehen.
In seiner Ansprache versicherte Gauck, er wolle sich nun auf neue Themen, Probleme und Personen einstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zufrieden und froh über die breite Mehrheit für Gauck in der Bundesversammlung gezeigt. Es könne durchaus vorkommen, dass Gauck etwas kritisch sehe, genauso wie es sein könne, dass sie etwas kritisch sehe. Dies sei normal. Merkel hatte sich zunächst gegen Gauck ausgesprochen. Nach der Wahl gab es viel Lob und Vorschusslorbeeren für Gauck. Er sei „ein Gewinn für die Gesellschaft”, sagt der Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) . Er solle sich gegen Antisemitismus engagieren, sagt Charlotte Knobloch von der israelitischen Kultusgemeinde. Jetzt sei „die Wiedervereinigung vollzogen”, sagte Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
Für die CSU wünschte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt Gauck „eine glückliche Hand und Gottes Segen”.
Die hohe Zahl an Enthaltungen erklärte CDU-Umweltminister Norbert Röttgen mit der „Ehrlichkeit” der Bundesversammlung.
Kritik an Gauck war wegen seines angeblich „verengten Freiheitsbegriffs” laut geworden. Konservative hatten sich an seiner „wildenEhe” mit Daniela Schadt gestoßen.
Auch EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso hat Gauck zur Wahl gratuliert. Er forderte Gauck auf, sich gemeinsam für Europa und die europäischen Werte einzusetzen. mm