Jetzt ist die Pflege plötzlich ein Thema

Im Wahlkampf-Endspurt widmen sich sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel den Problemen der Branche. Zugleich attackiert der SPD-Herausforderer d
von  Bernhard Junginger
„Wenn Frau Merkel sich durchsetzt, sinken die Renten weiter ab“, warnt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor einer Wiederwahl der CDU-Chefin zur Kanzlerin.
„Wenn Frau Merkel sich durchsetzt, sinken die Renten weiter ab“, warnt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor einer Wiederwahl der CDU-Chefin zur Kanzlerin. © dpa

Im Wahlkampf-Endspurt widmen sich sowohl Martin Schulz als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel den Problemen der Branche. Zugleich attackiert der SPD-Herausforderer Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Rente

Berlin - Im Wahlkampfendspurt machen sich sowohl Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als auch ihr Herausforderer Martin Schulz von der SPD sowie Teile der Opposition für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in der Pflege stark. Angesichts eines "dramatischen Pflegenotstands" sei dies dringend nötig, begrüßt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Vorstöße. Allein in deutschen Krankenhäusern fehlten derzeit 70.000 Pflegekräfte, sagt Verdi-Sprecher Jan Jurczyk der AZ. Dadurch leide das Klinikpersonal in einem Maße unter Zeitmangel, Stress und Überlastung, dass die Pflegequalität massiv gefährdet sei, sagte er. In Altenheimen sei die Situation ähnlich angespannt.

Merkel will sich für bessere Bezahlung von Pflegekräften einsetzen

In einem Interview hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende angekündigt, sie wolle sich für eine bessere Bezahlung von Pflegekräften und einen neuen Personalschlüssel einsetzen. Was die Pflegekräfte derzeit verdienten, sei "im Hinblick auf die Belastungen, die dieser Beruf mit sich bringt, nicht angemessen". Die Gehälter müssten deshalb schrittweise steigen. Gleichzeitig müsse der Personalschlüssel überarbeitet werden, damit die Pflegekräfte mehr Zeit für die Menschen hätten.

Schulz verspricht Neustart in der Pflege

In der ARD-Wahlarena legt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montagabend nach: Er versprach einen kompletten "Neustart" in der Pflege, sollte seine Partei die Wahl gewinnen. In den ersten 100 Tagen seiner Kanzlerschaft werde er die Weichen für mehr Personal, mindestens 30 Prozent höhere Löhne und einen neuen Schlüssel zur Verteilung des Personals auf die Pflegebedürftigen stellen.

Schulz erhebt Vorwürfe gegen Merkels Rentenpolitik

In der ARD wettert Schulz außerdem beim Thema Rente gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wenn Frau Merkel sich durchsetzt, sinken die Renten weiter ab, (...), werden die Beiträge steigen, und dafür werden wir auch noch bis 70 arbeiten dürfen." Merkel sehe beim Thema Rente keinen Handlungsbedarf. Bei der SPD sei das anders. "Wir wollen eine Solidarrente, die mindestens zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung liegt."

Auch die Grünen wollen Pflege reformieren

Unterdessen fordert auch Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring–Eckardt, mehr Pflegekräfte einzustellen und diese besser zu entlohnen. In einem "Sofortprogramm" sollten  25.000 zusätzliche Kräfte eingestellt werden, sagt sie im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Und die Linke verweist darauf, dass die Zahl der Pflegebedürftigen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, seit Jahresbeginn um 350.000 auf 3,1 Millionen gestiegen ist. Dies gehe aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums hervor.

Wie der geforderte Personalaufwuchs und die bessere Bezahlung der Pflegekräfte finanziert werden soll, ob etwa die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung erhöht werden sollen, ist bislang unklar. Verdi-Mann Jurczyk warnt trotz der vollmundigen Ankündigungen aus der Politik im Wahlkampf–Endspurt vor zu großen Erwartungen. Die Missstände seien jahrzehntelang ignoriert worden. "Jetzt können wir uns die fehlenden Pflegekräfte nicht einfach backen."

So hart ist der Pflegeberuf

Durch die im Vergleich zu anderen Berufen niedrige Bezahlung, vor allem aber durch die schlechten Arbeitsbedingungen würden sich zu wenige Menschen für eine Pflegelaufbahn entscheiden. Von denen, die sich dennoch für einen Pflegeberuf entscheiden, würden wiederum viele die Ausbildung abbrechen, sobald sie den harten Alltag in deutschen Kliniken und Pflegeheimen kennenlernen. "Die Leute lassen sich nicht in den Beruf zwingen", sagt Jurczyk. Von der künftigen Regierung erwarte er konkrete gesetzliche Vorgaben, etwa zu Arbeitsbedingungen und Personalausstattung in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. In mehreren Bundesländern, darunter Bayern, hat Verdi deshalb zu Streiks aufgerufen. Es gehe dabei nicht um bessere Bezahlung, sondern "darum, dass die Pflegekräfte das Geld, das sie verdienen, auch gesund ausgeben können", so Jurczyk. Dies sei nur durch mehr Personal und Entlastung möglich.

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