«Jeder Tag ohne Beck ist ein Gewinn»

Für Politikberater Spreng ist der SPD-Chef «irreparabel beschädigt». Die Partei müsse ihn schleunigst ablösen. Doch die Genossen sehen keinen Grund zur Panik und hoffen auf neue Wählerpotenziale.
Linksruck, Umfragetief, umstrittene Präsidentschaftskandidatin - für die SPD stehen die Zeichen auf Sturm. Und als ob dieser Tage nicht schon genug Ungemach über ihn hineinbräche, muss sich Parteichef Kurt Beck nun noch mit der vernichtenden Kritik eines prominenten Politikberaters herumplagen. Jener Michael Spreng nämlich hält Becks Reputation an der Spitze der Sozialdemokraten für «irreparabel beschädigt». Schnellstmögliche Ablösung sei geboten.
Sprengs Ratschlag: Als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2009 müsse die SPD Außenminister Frank-Walter Steinmeier bestimmen, sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Er sei der einzige SPD-Politiker, der bei den Wählern auf gute Resonanz stoße. «Er ist beliebt und angesehen - im Gegensatz zu Kurt Beck.« Der sei als Kanzlerkandidat völlig ungeeignet und würde den Stimmenanteil der SPD weiter reduzieren. Spreng, der 2002 den Wahlkampf des damaligen Unionskandidaten Edmund Stoiber gemanagt hatte, ist der Ansicht, dass »jeder Tag ohne Beck ein gewonnener Tag« sei für die SPD. Und falls sich nicht noch ein anderer Parteichef finde, würde er Franz Müntefering »für eine Übergangszeit« an die SPD-Spitze stellen.
Ganz gleich, ob Sprengs Ratschläge gut gemeint sind oder nur die Demontage des pfälzischen SPD-Granden beschleunigen sollen - Grund zur Panik sehen die Genossen trotz dramatisch schlechter Umfragewerte nicht. «Schnellschüsse würden uns jetzt nicht weiterhelfen», sagt Baden-Württembergs SPD-Chefin Ute Vogt. «Personalentscheidungen würden verpuffen, wenn es nicht gelingt, eine inhaltliche Geschlossenheit hinzukriegen», so Vogt. Die SPD war in einer Forsa-Umfrage auf das Rekordtief von 20 Prozent gesunken. Hamburgs SPD-Chef Ingo Egloff hatte deshalb eine Klärung der Kanzlerkandidatur bis zum Sommer gefordert, damit «mal Klarheit in den Laden kommt, in welche Richtung man marschiert».
«Aufhören zu jammern»
Vogt sagte, die Losung für die SPD müsse lauten: «Aufhören zu jammern.» Es sei ein «typisches sozialdemokratisches Merkmal, zu beklagen, was man alles noch nicht erreicht hat». Dabei habe es in den knapp zehn Jahren, in denen die SPD an der Regierung sei, genug Erfolge gegeben, «die man auch feiern kann». Die SPD solle ihre guten Konzepte herausstellen - etwa die geplante Erbschaftsteuer: Wenn ihre Reform gelinge, sei dies das Verdienst der SPD. «Dagegen wollte die CDU eigentlich gar nichts regeln, sondern die Steuer auslaufen lassen.» Wichtig sei die Identifikation mit der eigenen Regierungsarbeit. «Wenn es der SPD unangenehm ist zu regieren, wird sie sicher auch nicht mehr gewählt.» Das müssten auch Akteure aus der zweiten Reihe wissen. Vogt kritisierte das Verhalten von SPD-Bundestagsabgeordneten bei der Abstimmung über die Bahnreform. «Wenn 27 Abgeordnete ihre Fundamentalposition behalten, dann spricht das nicht für eine Gesamtverantwortung.»
Umfragetief nur vorübergehend
Auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verwies am Freitag auf inhaltliche Themen und den Nürnberger Zukunftskonvent vom vergangenen Wochenende als Mittel und Wege, «um uns aus dem Keller herauszukämpfen». Laut Heil wurde das Umfragetief durch die hessische Landtagswahl Ende Januar ausgelöst. Inzwischen habe die SPD aber - unter anderem bei der Frage der Bundespräsidenten-Kandidatur und bei der Steuer- und Abgabenpolitik - eine Linie. Seiner Ansicht nach konnte das positive Signal, das von der Nürnberger Veranstaltung ausgegangen sei, noch nicht in die Umfragen eingehen. Heil nannte als Themenkreise, mit denen die SPD ihre Akzeptanz im Wählervolk wieder erhöhen will, unter anderem die Betonung der wieder hergestellten wirtschaftlichen Leistungskraft der Bundesregierung und die Sicherung «guter Arbeit für alle». Außerdem gehe es darum, den Menschen die Angst vor dem sozialen Abstieg zu nehmen. Wer als Kanzlerkandidat die SPD in den Bundestagswahlkampf führe, werde «rechtzeitig» entschieden, so Heil. Näher wollte er das nicht erläutern. An der Autorität des Parteichefs Beck ließ er keine Zweifel zu. Beck habe auch in schwieriger Zeit bewiesen, dass er führen und mit der Lage «kämpferisch» umgehen könne. Die Unterstützung aus der Partei sei ihm sicher. Heil führte als wichtige Wegmarke vor den anstehenden Wahlen in Bayern, zum Europaparlament und zum Bundestag das im Herbst fällige Jubiläum «Zehn Jahre SPD in der Bundesregierung» an, das das Bewusstsein stärken solle, was die Sozialdemokraten in diesem Jahrzehnt geleistet hätten. Wählerpotenziale sah er in erster Linie bei solchen Nichtwählern, die nach Wahlabstinenz aus Frustration über die SPD noch nicht bei der Union oder den Linken gelandet seien. (nz/dpa)