„Jeder ist ersetzbar, auch in Berlin“

Nach seinem Rücktritt sagt Ole von Beust in der Hauptstadt orakelhafte Sätze. Doch die Union hält den Ball lieber flach und will von Erosion nichts wissen: Beust und Merkel wollen Freunde bleiben
von  Abendzeitung
Zwei, die man künftig nicht mehr so nah beisammen sehen dürfte: Ole von Beust und Angela Merkel gestern in Berlin.
Zwei, die man künftig nicht mehr so nah beisammen sehen dürfte: Ole von Beust und Angela Merkel gestern in Berlin. © dpa

Nach seinem Rücktritt sagt Ole von Beust in der Hauptstadt orakelhafte Sätze. Doch die Union hält den Ball lieber flach und will von Erosion nichts wissen: Beust und Merkel wollen Freunde bleiben

BERLIN/HAMBURG Es gab einmal eine Haudrauf-CDU. Dann ging Roland Koch.

Es gab einmal eine Arbeiterschicht-CDU. Dann ging Jürgen Rüttgers.

Es gab auch einmal eine Kuschel-CDU. Dann ging Christian Wulff.

Und es gab einmal eine gutbürgerliche Ländle-CDU. Dann ging Günter Oettinger.

Dann war noch eine liberale Großstadt-CDU übrig. Und dann ging Ole von Beust.

Und jetzt? Es gab nur ein Thema gestern in Berlin nach dem Hamburger Paukenschlag vom Wochenende: Kann Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel den Erosionsprozess ihrer Partei noch stoppen? Und woher kommt die Häufung der Unions-Abgänge von Männern in den besten Jahren: aus Frust über Merkels Kurs?

Ole von Beust gab sich bei einem gemeinsamen Auftritt mit der Kanzlerin orakelhaft: „Jeder ist im Land ersetzbar“, philosophierte der zurückgetretene Hamburger Bürgermeister und fügte sibyllinisch hinzu: „In Berlin ist auch jeder ersetzbar.“

Die Union gab sich alle Mühe, darüber nicht zu viel nachzudenken, und hielt den Ball so flach wie möglich: „Ich würde das nicht so dramatisch sehen“, flötete Unions-Fraktionschef Volker Kauder. „Minister sind austauschbar“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer betont entspannt. Und auch Fraktionsvize Wolfgang Bosbach meinte: „Dass jemand sein Amt aufgibt und nach einer neuen beruflichen Herausforderung sucht, ist nichts Außergewöhnliches“ – um dann ein großes Aber hinterher zu schicken: Wenn es um gleich sechs Regierungschefs innerhalb nur eines Jahres geht, dann sei das doch „erklärungsbedürftig“.

Das finden auch die Grünen in ihrer Doppelrolle als Berliner Opposition und Hamburger Regierungspartner der CDU: Bei der Union gebe es „so eine Art Null-Bock-Generation“, stichelte Cem Özdemir, der Chef der Grünen, die früher selbst Null-Bock-Partei waren. Özdemir will nun Beusts wahrscheinlichen Nachfolger, den Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU), „sehr genau unter die Lupe nehmen“, ob mit ihm eine Fortsetzung von Schwarz-Grün möglich sei. Im Gegensatz zum liberalen Beust gilt Ahlhaus eher als konservativer Knochen.

Und Ole und Angela? Gingen auseinander, wie man eben auseinandergeht: Man will Freunde bleiben. „Ohne Groll“ gehe er, sagte Beust, „sondern in tiefer Dankbarkeit und großer Freundschaft zu meinen Hamburger Freunden, aber auch gerade zur Bundeskanzlerin, der ich mich persönlich sehr verbunden fühle“. Es schien, als ob sich Beust richtig freue auf die neue Zeit der Trennung. Denn: „Ich bleibe natürlich fröhliches Mitglied der CDU-Familie und freue mich auf viele weitere Begegnungen hier in Berlin oder wo auch immer, oder, Angela, gerne auch über SMSen.“

Da wollte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht abseits stehen. Schließlich habe auch die Bundes-CDU dem Hamburger viel zu verdanken, sagte sie. Und, ja, die Handynummern blieben natürlich ausgetauscht. Frank Müller

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