Jamaika-Parteien reden über Geld: Wie viel Spielraum ist da?
Berlin - Vor dem ersten Jamaika-Sondierung über Steuern, Finanzen und Haushalt hat die deutsche Industrie "absoluten Vorrang für Investitionen" gefordert.
"Es muss der künftigen Bundesregierung darum gehen, Wachstum und Innovation zu befördern, anstatt sich wie bisher auf die Vermeidung von Steuerschlupflöchern und sozialpolitische Umverteilung zu konzentrieren", appellierte der Präsident des Bundesverbands BDI, Dieter Kempf, an Union, FDP und Grüne.
Die solide Haushaltslage bietet den Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition Spielraum, Unionsexperten gehen von etwa 30 Milliarden Euro für vier Jahre aus. Die schon angemeldeten Wünsche der Parteien sind aber in der Summe sehr viel teurer.
"Schwarze Null" steht bislang nicht zur Debatte
Ganz grundsätzlich müssen sie sich einigen, wie viel Geld investiert werden soll und um wie viel Bürger und Unternehmen bei Steuern und Abgaben entlastet werden sollen. Es geht zum Beispiel um die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Welche Partei das Finanzministerium übernimmt, ist dagegen offiziell kein Thema.
Bei steigenden Energiekosten und Bürokratie müssten die Unternehmen entlastet werden, sagte Kempf. Geld solle unter anderem in Straßen, digitale Infrastruktur und Bildung fließen. "Sprudelnde Steuereinnahmen, Wirtschaftswachstum und niedrige Zinsen dürfen nicht zu einem Weiter-so führen", mahnte der BDI-Präsident.
Die Absage an neue Staatsschulden, auch "schwarze Null" genannt, scheint zwischen Union, FDP und Grünen vorerst nicht umstritten. Allerdings mahnte Jürgen Trittin, der für die Grünen das Thema Finanzen koordiniert, beim Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Niemandem nützt eine schwarze Null bei nicht mehr bezahlbarem Wohnraum oder bei Missständen im Pflegebereich."
Auch die Linke kritisierte, dem Vermeiden neuer Schulden die höchste Priorität einzuräumen. "Wem die Schuldenbremse und die steuerliche Entlastung der Reichen wichtiger sind als der Kampf gegen Kinderarmut, der versündigt sich an unserer Zukunft", sagte Parteichefin Katja Kipping der dpa.
Spielraum für Steuersenkungen fehlt
Die gewerkschaftsnahe Hans-Boeckler-Stiftung mahnte, trotz der scheinbar guten Haushaltslage fehle der Spielraum für Steuersenkungen. Der erwartete Überschuss von rund 35 Milliarden Euro in den öffentlichen Haushalten sei in großen Teilen der guten Konjunktur und Einmaleffekten geschuldet. Daher könnten die öffentlichen Haushalte schnell wieder ins Minus rutschen, wenn die kommenden Regierungsparteien größere Steuersenkungen beschlössen.
Nach dem Komplex Finanzen wollen sich die Jamaika-Parteien am Dienstagabend auch das Thema Europa vornehmen. Hier dürfte es unter anderem Streit über strengere Regeln für die Eurozone geben. Im Bundestag hatten die Fraktionen von Union, FDP und Grünen am Dienstag schon einmal die schwarz-gelb-grüne Zusammenarbeit erprobt: Gemeinsam sprachen sie sich gegen einen SPD-Vorstoß aus, bereits in der ersten Sitzung des neuen Parlaments die Regeln für die Regierungsbefragung zu verschärfen.
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