Jagd auf „weiche Ziele“ - Ein Terrorist war Schüler
Also: Menschen. Nach der Festnahme von drei mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen in Düsseldorf werden beunruhigende Details bekannt. Einer war sogar noch Schüler – und hätte jetzt Abi gemacht
Düsseldorf - Die drei Männer saßen in der Küche des einen und unterhielten sich darüber, dass sie gerade feststellen mussten, dass der Bau eines Zünders tatsächlich schwieriger ist als die Herstellung der eigentlichen Bombe. Da wurde es den Ermittlern, die über ihre Wanzen mithörten, zu mulmig: Sie griffen zu. Gegen die drei mutmaßlichen El-Kaida-Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen wurde jetzt Haftbefehl erlassen: Sie hatten Anschläge in Deutschland geplant. Jetzt werden immer mehr Details bekannt – auch, dass andere Mitglieder ihrer Terrorzelle noch frei sind.
Kopf der Gruppe ist der Marokkaner Abdeladim El-K. (29). Er kam nach Deutschland, um Mechatronik und Maschinenbau in Bochum zu studieren. Schon an der Uni fiel er als Extremist auf. 2009 wurde er exmatrikuliert, weil er keine Kurse mehr besuchte. Er reiste nach Pakistan, ließ sich dort in Terrrorcamps ausbilden: Bombenbau, Waffentechnik, Konspiration. Dort habe er den Auftrag von einem hohen El-Kaida-Mitglied bekommen, einen Anschlag in Deutschland zu verüben, erklärt die Bundesanwaltschaft.
Zurück in Deutschland weihte er mindestens zwei Bekannte ein. Anders als er waren die beiden in Deutschland geboren und in sehr westlichen Umfeld aufgewachsen: ein Schüler und ein Elektriker aus dem Ruhrgebiet. Der Deutsch-Marokkaner Jamil S. aus Düsseldorf hatte nach der Realschule eine Lehre als Elektriker gemacht. Zuletzt war der 31-Jährige bei einer Zeitarbeitsfirma. Amid C. (19) aus Bochum, der einen deutschen und iranischen Pass hat, ging noch aufs Gymnasium – und hätte jetzt Abitur gemacht.
El-K. tauchte direkt nach seiner Rückkehr in die Illegalität ab, mied sogar den Moschee-Besuch aus Angst, aufzufallen. Er beschäftigte sich nur noch mit dem Thema Bombenbau. Der Elektriker S. war für die Finanzen zuständig und stellte seine Wohnung in der Düsseldorfer Witzelstraße als Bombenwerkstatt zu Verfügung, der Schüler C. war für Kommunikation, Verschlüsselung und Konspiration zuständig.
Auch über Ziele hatten sie gesprochen: „Weiche Ziele“ sollten es sein, also Menschen, so Vize-Bundesanwalt Rainer Griesbaum. Nach den Abhör-Protokollen hätten sie darüber nachgedacht, eine Bombe „in einem Bus oder an einer Bushaltestelle“ zu zünden. Oder bei einer Veranstaltung im Großraum Düsseldorf – Mitte Mai ist dort der Eurovision Song Contest. Sie recherchierten auch Sicherheitsvorkehrungen von Bahnhöfen und Flughäfen. Ihr Ziel: mit einer Splitterbombe möglichst viele Menschen töten. Wie weit der Bau schon fortgeschritten war, muss nun anhand der sichergestellten Substanzen ausgewertet werden, so BKA-Chef Jörg Ziercke. Sie seien noch im „Experimentierstadium“ gewesen. Aber: Aus der erwähnten Passage, der Bau von Zündern sei schwieriger, schlossen die Ermittler, dass sie bei der Bombe schon weiter seien. Aktuell versuchten sie, gemäß den „Bombenkochbüchern“ aus dem Internet, aus Grillanzündern Hexamin zu gewinnen und dieses mit Wasserstoffperoxid und Zitronensäure zu mischen. Immerhin: Das hätte nicht klappen können, erklärte das BKA – die drei hatten die falschen Grillanzünder besorgt.
Doch das erfuhren die Ermittler erst hinterher. Die Vorstellung, dass da drei mutmaßliche Islamisten mitten in einem Mietshaus in Düsseldorf – offensichtlich ungeschickt – mit Bombenzündern experimentieren, schreckte die Fahnder auf. Und: Über die Wanzen war zu hören, wie freudig die drei Männer den Anschlag von Marrakesch begrüßten – man habe gefürchtet, dass sie entsprechend „euphorisiert“ ihre Pläne nun forcieren würden, hieß es beim BKA.
Also Zugriff – um den Preis, dass die Beweislage für ein Gerichtsverfahren noch nicht besonders gut ist, wie intern eingeräumt wird. Und um den Preis, dass damit nur ein Teil der mutmaßlichen Terrorzelle ins Netz ging. „Sieben bis acht Personen“ sollen dazu gehören, sagt BKA-Chef Jörg Ziercke. Er räumte ein, dass die Gefahr damit nicht gebannt sei. Die Düsseldorfer Zelle war auch der Anlass für die ungewöhnliche Sicherheitswarnung des damaligen Innenministers Thomas de Maizière. Ein Teil von ihr ist nun gefasst.
Der Fall ähnelt in seinen Dimensionen der Sauerland-Gruppe, so die Ermittler. Die Düsseldorfer seien aber professioneller vorgegangen – und viel direkter von El-Kaida gesteuert.