"Italien schiebt Probleme weiter"

Die CSU will am Asylrecht nichts ändern, trotz der ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Dafür soll die nordafrikanische Küste jetzt besser überwacht werden, um die Boote rechtzeitig zu stoppen.
von  Angela Böhm
Markus Ferber: Der 48-jährige ist Diplomingenieur und Chef der CSU-Europaabgeordneten und sitzt seit 1994 in Brüssel im EU-Parlament.
Markus Ferber: Der 48-jährige ist Diplomingenieur und Chef der CSU-Europaabgeordneten und sitzt seit 1994 in Brüssel im EU-Parlament. © dpa/Picture Alliance

AZ: Wird das Mittelmeer jetzt zum Friedhof für Flüchtlinge?

MARKUS FERBER: Nein, das Mittelmeer darf nicht zum Friedhof für Flüchtlinge werden. Die Europäische Union muss ihren humanitären Verpflichtungen im Mittelmeerraum gerecht werden.

Aber die Innenminister haben sich letzte Woche in Luxemburg getroffen und beschlossen, dass sich nichts ändert. Was muss denn noch alles passieren?

Die Innenminister haben zu Recht beschlossen, dass sich am bestehenden europäischen Asylrecht nichts ändert. Das Verfahren wird weiterhin in dem Land stattfinden, in dem ein Asylsuchender zum ersten Mal den Boden der Europäischen Union betritt. Was wir im Mittelmeer erleben, hat mit dieser Regelung nichts zu tun, deshalb muss sie auch nicht geändert werden.

Dann kann Deutschland ja froh sein, dass keine Flüchtlingsströme auf Sylt landen.

Deutschland würde seine nationalen und internationalen Verpflichtungen erfüllen. Die Italiener haben ihren Fischern unter Strafe verboten, humanitäre Hilfeleistungen für in Seenot geratene Menschen zu geben. Die Italiener sind nicht in der Lage, die Asylverfahren durchzuführen. Und die Italiener sind auch nicht in der Lage, bei der Verfolgung der Schlepperbanden erfolgreich zu sein. Sie schieben das Problem einfach weiter an Europa, ohne ihre Hausaufgaben zu machen.

Lesen Sie hier: Italien - Schiff kentert vor Lampedusa

Welchen humanitären Verpflichtungen will Europa denn dann nachkommen?

Die Möglichkeiten, die Frontex mit Eurosur in Kürze zur Verfügung gestellt werden, dienen auch dazu, Menschen in Seenot zu helfen.

Eurosur ist kein Flüchtlings-Hilfsprogramm, sondern ein umstrittenes Flüchtlingsabwehrsystem, mit dem die Grenzüberwachung Frontex die EU-Grenzen dicht machen soll, und Flüchtlingsboote früher entdeckt werden.

In erster Linie soll den Schlepperbanden das Handwerk gelegt werden. Es wäre zynisch zu sagen, jeder, der europäischen Boden betritt, hat einen Aufenthaltsstatus. Es ist nicht Aufgabe der Europäischen Union, ein Geschäftsmodell für Schlepperbanden zu generieren.

Und wo bleibt die Menschlichkeit? Hier geht’s nicht nur um Schlepperbanden, sondern in erster Linie um Menschen, die aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen. In der Geschichte der Menschheit sind solche Wanderungen nichts Neues.

Nicht jeder in der Welt, dem es schlechter geht als dem Durchschnittseuropäer, hat automatisch ein Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union. Wichtig ist, dass Menschen, die verfolgt werden, ein faires und schnelles Asylverfahren bekommen. Dass Menschen, die dann ein Aufenthaltsrecht in der EU haben, auf alle Staaten gemäß ihrer Leistungsfähigkeit verteilt werden. Das haben wir heute nicht.

Dafür jammern die Deutschen, sie würden mit 23 Prozent aller Asylbewerber die meiste Last tragen. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl aber liegen sie nur im europäischen Mittelfeld.

Die italienischen Zahlen sind noch viel spannender. Die Italiener liegen mit ihren absoluten Zahlen im europäischen Mittelfeld und bezogen auf die Wohnbevölkerung sind sie weit am Ende.

Horst Seehofer nennt sein Sozialministerium jetzt auch Integrationsministerium. Ändert die CSU ihre Asylpolitik?

Die CSU ist immer auf dem Boden der Gesetzeslage gewesen. Aber wir müssen schon auch helfen, dass die Menschen, die zu Recht bei uns wohnen, eine gute Integrationsmöglichkeit bekommen. Da ist Bayern Vorbild für andere Bundesländer.

Bayern ist eher Vorbild als Hardliner, um Asylbewerber zu verschrecken. Wo bleibt die Christlichkeit, die Papst Franziskus angemahnt hat?

Wir haben Umfragen, die belegen, dass die Mehrheit der Deutschen sagt, dass wir bei der Integrationsfähigkeit an unsere Grenzen gekommen sind. Das darf man nicht unterschätzen.

Sie können keine Mauer um Europa und Bayern bauen.

Wir müssen in Afrika zu stabilen politischen Verhältnissen beitragen, die die Menschenwürde achten und das eigene Fortkommen in einer offenen Gesellschaft ermöglichen. Dafür sollte die europäische Politik viel mehr Ansätze bieten. Das ist die effizienteste Politik, um Fluchtgründe abzubauen.

 

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