Italien: Krise in Berlusconis Regierungspartei
ROM - Nichts ist ausgeschlossen, auch Neuwahlen nicht: Der Streit zwischen Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und dem Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini eskaliert. Gibt es eine Parteispaltung?
Der seit Monaten schwelende Streit zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und Parlamentspräsident Gianfranco Fini ist eskaliert. Mit den Worten: „Es bricht mir das Herz, aber ich glaube nicht, dass wir so weitermachen können“, unternahm Berlusconi am späten Donnerstagabend den ersten Schritt, um seinen Partner aus der Regierungspartei „Volk der Freiheit“ (PdL) auszuschließen.
Gemeinsam mit dem Großteil des PdL-Parteivorstandes beschloss der Ministerpräsident ein Dokument, in dem Fini unter anderem wegen „dauernder systematischer Opposition gegen Partei und Regierung“ als „nicht kompatibel“ mit der Regierungspartei „Volk der Freiheit“ (PdL) erklärt wird. Auch „zerstörerische Kritik“ wirft der Medienmogul und Regierungschef dem ehemaligen Postfaschisten Fini vor und fordert ihn auf, sein Amt als Präsident des Abgeordnetenhauses niederzulegen.
Das Amt erfordere Unparteilichkeit, während Fini in „systematischer Opposition zu Regierung und Partei“ arbeite, heißt es in dem Dokument. Der italienische Blätterwald titelte überwiegend dem Sinne nach: „Berlusconi schasst Fini“. Die Folgen sind bisher nicht absehbar. Auch Neuwahlen scheinen nicht ausgeschlossen.
„Ich bleibe, wo ich bin“, war die trockene Reaktion des Parlamentspräsidenten. Über sein Amt werde schließlich nicht von Berlusconi entschieden, sondern von allen Parlamentariern, konterte Fini – unterstützt von Mitgliedern der Opposition.
Nach einer ersten Lagebesprechung mit seinen Anhängern wollte Fini am Nachmittag Stellung nehmen und eine neue Gruppierung unter seiner Ägide namentlich bekanntgeben. Im Senat braucht er mindestens 10 Anhänger, in seiner eigenen Kammer – dem Abgeordnetenhaus - mindestens 20, um eine neue politische Gruppe zu gründen. Italienischen Medien zufolge kündigten bereits in der vergangenen Nacht 36 Fini-Anhänger im Abgeordnetenhaus und 14 im Senat an, ihrem Chef zu folgen. Damit könnte Fini in Zukunft bei kritischen Abstimmungen zum Zünglein an der Waage werden.
Veränderungen innerhalb der Regierungsmannschaft schloss Berlusconi am Freitag zunächst aus. Er sehe keinen Grund „mit gut arbeitenden Ministern nicht weiterzuarbeiten“. Zu möglichen Neuwahlen äußerte er sich nicht, obwohl er seit Anfang des Jahres mehrfach den Gang zu den Urnen angedroht hatte, sollte der Streit zwischen ihm und Fini zum Bruch führen.
Die größte Oppositionspartei PD („Demokratische Partei“) forderte Berlusconi am Freitag auf, im Parlament über den Stand der Dinge zu berichten und sich einer Vertrauensabstimmung zu stellen. Sollte der notwendige Konsens fehlen, sei man zu einer „breitgefächerten Übergangsregierung“ bereit, um zu verhindern, dass das Land ins Chaos rutsche wie im Falle vorgezogener Neuwahlen, so ein Sprecher des Oppositionsführers Pierluigi Bersani. Bei der aktuellen Situation handele es sich „nicht nur eine Krise der PdL, sondern der Regierung“.
Der seit Monaten als Rivale Berlusconis geltende 58-jährige Fini hatte vor rund anderthalb Jahren seine Partei, die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) in Berlusconis „Volk der Freiheit“ integriert. Er kritisiert seit langem den autoritären Führungsstil des 73-jährigen Ministerpräsidenten sowie den seiner Meinung nach zu starken Einfluss der rechtspopulistischen Lega Nord von Umberto Bossi in der Mitte-Rechts-Regierungskoalition.
dpa
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