Israels Militäroffensive: Keine Waffenruhe ohne Tunnelzerstörung

Die Lage im Gazastreifen wird immer verzweifelter. Israel treibt die Militäroffensive mit aller Härte voran. Premier Netanjahu stellt Bedingungen für eine Waffenruhe, denen die Hamas kaum zustimmen kann.
Tel Aviv/Gaza - Trotz immer größerer Not der palästinensischen Bevölkerung treibt Israel die Militäroffensive im Gazastreifen weiter voran. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Donnerstag, Vorschläge für eine Waffenruhe seien nur akzeptabel, wenn Israel weiter die Tunnelanlagen im Gazastreifen zerstören könne. Die radikal-islamische Hamas hatte dies abgelehnt. Die israelische Armee plant, ihre Offensive noch auszuweiten. Wie der Rundfunk meldete, hat das Militär 16 000 weitere Reservisten mobilisiert.
Die Armee habe bereits Dutzende "Terror-Tunnel" zerstört, sagte Netanjahu in Tel Aviv. Israel werde dies fortführen - mit oder ohne Waffenruhe. "Dies ist nur die erste Phase einer Entmilitarisierung des Gazastreifens", sagte Netanjahu. "Die Armee ist weiter mit voller Macht im Einsatz." Gleichzeitig warnte er vor einer Radikalisierung der politischen Debatte in Israel und zur Einheit auf.
Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon warf der Hamas vor, die große Zahl ihrer getöteten Kämpfer zu verbergen. "Die Hamas zahlt einen sehr hohen Preis", sagte Jaalon.
Nach Angaben des Sprechers des palästinensischen Gesundheitsministeriums, Aschraf al-Kidra, wurden in Gaza seit dem 8. Juli mehr als 1360 Menschen getötet, darunter 315 Kinder, 166 Frauen und 58 ältere Menschen.
Wie das israelische Militär sprachen auch Netanjahu und Jaalon von Hunderten von militanten Kämpfern unter den Toten. Die palästinensische Seite unterscheidet bei der Veröffentlichung der Opferzahlen nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten.
Auf der israelischen Seite sind bisher 56 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben gekommen. Mehr als 100 Soldaten werden noch in Krankenhäusern behandelt.
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Israelische Medien berichteten, eine Regierungsdelegation habe am Vortag stundenlang mit Vertretern Ägyptens in Kairo über eine Waffenruhe beraten.
Angesichts der steigenden Totenzahlen und der verheerenden Zerstörungen im Gazastreifen hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas das Gebiet am Mittwoch zum "humanitären Katastrophengebiet" erklärt. Er forderte die Vereinten Nationen auf, alles zu unternehmen, um den Menschen in der Küsten-Enklave am Mittelmeer zu helfen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen haben bereits rund 220 000 Menschen in dem blockierten Palästinensergebiet Schutz in UN-Schulen gesucht. Die UN und die USA haben den Beschuss einer UN-Schule im Gazastreifen scharf kritisiert. Israel sei der Standort der Einrichtung mehrfach mitgeteilt worden, letztmals wenige Stunden vor dem Treffer, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einem Besuch in Costa Rica. "Ich verurteile diesen Angriff auf das Schärfste. Er ist durch nichts zu rechtfertigen."
Auch die USA verurteilten den Beschuss der Schule im Flüchtlingslager Dschabalia. Die USA und die UN kritisierten auch die Lagerung von Waffen in UN-Einrichtungen.
Eine Sprecherin der israelischen Armee sagte zu dem Vorfall, militante Palästinenser hätten in der Nähe der Schule Mörsergranaten auf israelische Soldaten abgefeuert. Die Truppen hätten dies erwidert. Es ist die zweite Schule, die binnen einer Woche getroffen wurde.
Israelische Panzergranaten töteten nach Angaben der palästinensischen Rettungsdienste Stunden später mindestens 20 weitere Menschen auf einem Marktplatz im Stadtteil Sadschaija. Die Bewohner des umkämpften Viertels waren zum Markt geströmt, nachdem Israel eine vierstündige humanitäre Feuerpause erklärt hatte, die allerdings von der Hamas als "Täuschungsmanöver" abgelehnt wurde.
Militante Palästinenser haben auch am Donnerstag wieder Raketen auf israelische Städte gefeuert. Israel begründet die längste Offensive seit dem Libanon-Krieg 2006 mit dem anhaltenden Raketenbeschuss. Nach Angaben der Armee sind seit Beginn der Offensive rund 2700 Raketen auf Israel abgeschossen worden.