Israel: Liwni wird Kadima-Chefin
«Ihr könnt heute entscheiden, ob ihr genug habt von altmodischer Politik», rief die israelische Außenministerin Liwni den Kadima-Parteimitgliedern bei ihrer Stimmabgabe zu. Offensichtlich hatten sie genug.
Die israelische Außenministerin Zipi Liwni hat nach Prognosen mehrerer israelischer Fernsehsender das Rennen um den Vorsitz in der regierenden Kadima-Partei am Mittwoch klar gewonnen. In den mehrere Minuten vor Ende der Wahl veröffentlichten Prognosen dreier Fernsehsender kam Liwni auf 47 bis 49 Prozent der Stimmen, ihr innerparteilichen Rivalen, Verkehrsminister Schaul Mofas, dagegen nur auf 37 Prozent. Die Wahlbeteiligung unter den 74.000 Kadima-Mitgliedern lag bei rund 50 Prozent.
Liwni löst den unter Korruptionsverdacht stehenden bisherigen Parteichef und Ministerpräsident Ehud Olmert (62) ab. Sie hat jetzt gute Chancen, mehr als drei Jahrzehnte nach Golda Meir (1969 bis 1974) als zweite Frau Regierungschefin in Israel zu werden. Die Politikerin hatte sich im Wahlkampf für einen neuen Politikstil eingesetzt und mit ihrem Image als «Sauberfrau» geworben. Noch während der parteiinternen Abstimmung sagte Liwni: «Wenn Ihr die Nase voll habt von einer Politik von gestern, dann ist es an der Zeit, mit Eurer Stimme einen Wechsel zu schaffen.»
Kein Problem «im Fall des Falles den Abzug zu drücken»
Mofas hat sich gegenüber der als ausgleichend geltenden 50-jährigen Politikerin als der Mann präsentiert, der in harten Verhandlungen mit den Palästinensern den Frieden sichern wird. Männliche Rivalen haben Liwni als «schwach» bezeichnet und sprechen von ihr als «dieser Frau». Sie hat die Geschlechterfrage heruntergespielt. «Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, macht mich nicht zu einem schwachen Führer. Ich habe kein Problem, im Fall des Falles den Abzug zu drücken», sagte die frühere Mossad-Agentin vergangene Woche in einem Interview. Olmert wird jetzt voraussichtlich nach dem jüdischen Neujahrsfest am 2. Oktober den Rücktritt seiner Regierung einreichen, aber bis zur Bestätigung einer neuen Regierungskoalition durch das Parlament als geschäftsführender Ministerpräsident fungieren. Sollte die Staatsanwaltschaft jedoch Anklage wegen Korruption erheben, will Olmert sein Amt sofort niederlegen.
Vorgezogene Parlamentswahl nicht ausgeschlossen
Nach dem Rücktritt der bisherigen Regierung hat Liwni 42 Tage Zeit, eine neue Regierungskoalition zu bilden. Die Politikerin befürwortet eine Koalition der nationalen Einheit, zu der außer dem bisherigen Koalitionspartner, der Arbeitspartei von Verteidigungsminister Ehud Barak, auch die rechtsgerichtete Likud-Partei von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu gehören soll. Eine Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition scheint schwierig, weil die ultra-orthodoxe Schas-Partei eine Erhöhung des Kindergeldes fordert. Dies haben sowohl Liwni als auch die Kadima-Partei bislang abgelehnt. Sollte eine Regierungsbildung scheitern, dann wird es bis spätestens Ende März 2009 - und damit einer Jahr eher als vorgesehen - zu Neuwahlen in Israel kommen. Olmert hatte bei der Stimmabgabe offen gelassen, wen er gewählt hat. «Eine gute Wahl», sagte er ausweichend. Vor Studenten sagte der scheidende Parteivorsitzende, der von Liwni und anderen Parteimitgliedern zum Rücktritt gedrängt worden war: «Ich spüre keine Bitterkeit, ich hege keinen Groll, ich bin auf niemanden wütend, ich liebe nur die Menschen in Israel». Olmert räumte ein, dass viele seiner Politikvorhaben unerledigt geblieben seien. Die Kadima-Partei wurde im November 2005 vom damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gegründet. Nach einem Schlaganfall Scharons übernahm Olmert als zweiter Vorsitzender die Amtsgeschäfte. Liwni ist jetzt als erste Frau Chefin einer Partei, die in der politischen Mitte zwischen der mitte-links-liegenden Arbeitspartei und der rechtsgerichteten Likud-Partei positioniert ist.(AP/dpa)
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