Israel: Bibi, Zipi und der Königsmacher
TEL AVIV - In die verfahrene Lage nach der Wahl kommt Bewegung: Lieberman empfiehlt Netanjahu – aber nicht ohne Livni
Rechtsblock oder große Koalition? In Israel beginnt jetzt der große Poker um die künftige Regierung. Die erste Runde dürfte dabei an den rechtsgerichteten Ex-Ministerpräsidenten Benjamin „Bibi“ Netanjahu gehen. Seine moderate Gegenspielerin Zipi Livni geht derweil zwar in die Defensive – vielleicht aber nur, um Kräfte zu sammeln und in der Schlussrunde auf die richtige Karte zu setzen.
Sechs Tage dauert das Machtspiel um den Posten des Ministerpräsidenten noch – dann muss Staatspräsident Schimon Peres entscheiden, welchen Kandidaten er mit der Regierungsbildung beauftragt. Bis dahin führt er Gespräche mit allen Beteiligten.
Zumindest die gestrige erste Partie dürfte an Bibi gehen: Netanjahus Chancen, auf den Regierungssessel zurückzukehren, verbesserten sich durch eine Initiative des ultrarechten „Königsmachers“ Avigdor Lieberman stark. Der Chef der umstrittenen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) empfahl Peres, Netanjahu den Vorzug zu geben. Mit Unterstützung von Liebermans Gruppe, die bei der Wahl vergangene Woche drittstärkste Kraft geworden war, hätte Netanjahu 65 der 120 Abgeordneten in der Knesset sicher.
Doch so klar, wie diese Zahlen klingen, ist die Sache in Israel noch lange nicht: So verlangte Lieberman zugleich eine Dreierkoalition der großen Parteien, also mit Livnis liberal-konservativer Kadima. Ein Rechtsblock mit knapper Mehrheit müsste dagegen „jeden Tag um das Überleben kämpfen“, warnte Lieberman.
Peres: "Ein neues Kapitel aufschlagen"
Dazu kommt, dass auch Peres kein Interesse an einer am seidenen Faden hängenden national eingestellten Regierung hat. Er mahnte bereits, wohl inspiriert von Barack Obama, „ein neues Kapitel“ in Nahost aufzuschlagen – jetzt, da „in der Weltpolitik ein neues Kapitel aufgeschlagen wird“.
Doch was daraus folgt, ist unklar: Am Freitag will Peres das ungleiche Duo Bibi und Zipi in Vier-Augen-Gesprächen bearbeiten. Höchst unwahrscheinlich allerdings, dass sich Zipi Livni in eine Koalition fügen wird, in der nicht sie Ministerpräsidentin wird. Schließlich verfügt ihre Kadima in der Knesset über ein Mandat mehr als der Likud. Gestern kündigte sie schon einmal den Gang in die Opposition an.
Als Ausweg bliebe das Modell einer Rotation: Bibi und Zipi im Wechsel. Das hat zwar Lieberman schon abgelehnt – doch auch das kann sich ganz schnell wieder ändern.
mue