Intrigen oder Integration - Wulffs heikle Türkei-Mission
Schwarz-Gelb streitet um die Zuwanderung. Seehofer gibt den Mini-Sarrazin, von der Leyen hält dagegen und Merkel moderiert mal wieder. All das begleitet Wulff auf seinem Staatsbesuch.
BERLIN „Wir sind eine gut intrigierte Truppe“, hat Fußballer Lothar Matthäus einmal gesagt. Der Spruch passt perfekt auf die Koalitions-Debatte. Geht’s da eigentlich um Integration oder um Intrigen? Um echte Lösungen oder nur Stimmenfang? CSU-Chef Horst Seehofer gibt seit Tagen den Mini-Sarrazin, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Bildungsministerin Annette Schavan halten dagegen, und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, den Spagat dazwischen zu schaffen.
All das hat Bundespräsident Christian Wulff im Gepäck, wenn er heute seinen bisher wichtigsten Staatsbesuch unternimmt – in die Türkei. Wulff selbst wird in Ankara freudig erwartet. Mit seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit und seiner Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, ist er am Bosporus auf große Zustimmung gestoßen. Mit Spannung wird am Dienstag seine Rede vor dem türkischen Parlament erwartet. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein deutsches Staatsoberhaupt dort spricht.
Weniger positiv wird man in der Türkei aber wohl auf die Zitate Horst Seehofers reagieren. Er beharrt darauf, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei – und untermauert diese These mit einem Sieben-Punkte-Plan. Darin heißt es: „Auch ein prognostizierter Fachkräftemangel kann kein Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung sein.“
Von der Leyen und Schavan halten dagegen: „Wir wollen Einwanderung aktiv in diesem Land“, sagte von der Leyen. So schlägt sie zum Beispiel Abkommen mit Drittstaaten vor, um gezielt qualifizierte Zuwanderer zu gewinnen. Und Annette Schavan hat bereits ein Gesetz vorbereitet, das allen Ausländern in Deutschland ein Verfahren zur Anerkennung ihres Bildungsabschlusses garantiert. Sie hat den Rückhalt der Wirtschaft. „Ein Prozent Wachstum geht Deutschland jährlich verloren, weil 400000 Fachkräfte fehlen“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann.
Die FDP spricht sich in diesem Zusammenhang für ein Einwanderungs-Punktesystem aus, ähnlich wie es in Australien oder Kanada existiert. Da gibt es unter anderem für Sprachkenntnisse und Berufsabschluss Punkte. Wer eine bestimmte Punktzahl erfüllt, darf rein. Unabhängig von der Herkunft.
Und Bundeskanzlerin Angela Merkel? Die moderiert wieder. Beim JU-Deutschlandtag erklärt sie Multikulti für „gescheitert, absolut gescheitert“. Gleichzeitig stellt sie sich auf die Seite Wulffs: „Er hat gesagt, der Islam ist auch ein Teil Deutschlands. Und er ist Teil Deutschlands!“ So hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zwei eigentlich gegensätzliche Meinungen vorbildlich integriert.