Indiens Wahlsieger: Heilsbringer mit düsteren Seiten

Narendra Modi (63) hat die Wahlen in Indien gewonnen. Er ist erfolgreich gegen Korruption und Armut, aber er pflegt auch einen extremen Hindu-Nationalismus
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Neu Delhi - Er ist Vegetarier, macht Yoga, kämpft gegen Korruption und Armut. Und er verkörpert einen extremen Hindu-Nationalismus, der ein Massaker an Moslems schon mal mit dem Überfahren von Hundewelpen vergleicht: Narendra Modi (63), der Mann mit dem vielen Gesichtern, hat die Wahlen in Indien per Erdrutschsieg gewonnen.

Es war die größte demokratische Wahl der Menschheitsgeschichte: 541 Millionen Menschen gaben ihre Stimme ab. Nun kommt Modis BJP-Partei auf 272 der 543 Sitze und damit sogar knapp über die absolute Mehrheit. Die seit Jahrzehnten regierende Kongresspartei des Gandhi-Clans brach auf 47 Sitze ein – ein Desaster. „Wir akzeptieren den Willen der Wähler, heißen ihn willkommen und sehen unsere Niederlage ein“, erklärte die Partei. Es lag ein bisschen am Spitzenkandidaten Rahul Gandhi: Der hatte sich nur widerwillig von seiner Mutter Sonia zur Kandidatur prügeln lassen. „Macht ist Gift“, sagte er noch im Wahlkampf. Vor allem aber lag es daran, dass Gegner Modi den Indern versprach, mit Korruption und Chaos Schluss zu machen und für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Und sie glaubten ihm.

Modi ist ein Meister der Inszenierung (was auch an seinem 50-köpfigen PR-Stab liegen mag). „Ich bin nicht in die Politik gegangen, ich bin von Mutter Ganges – dem heiligen Fluss – gerufen worden“, gibt er sich als Heilsbringer. Bei manchen Veranstaltungen hat er sich einfach nur stundenlang fastend und meditierend hingesetzt, um ihn herum drapiert flehende Anhänger.

Aber er kann auch Fakten bieten: das Modell Gujarat. So heißt der Bundesstaat, den er seit 2002 regiert. Er hat Krankenhäuser, Schulen, Wasserleitungen und asphaltierte Straßen bauen lassen. Mittlerweile haben 80 Prozent aller Haushalte Strom, und das 24 Stunden am Tag. Und die Infrastruktur hilft nicht nur den Bürgern, sie lockt auch (neben den niedrigen Steuern) Firmen an und damit Arbeitsplätze. Als Indiens größter Autobauer Tata wegen des Widerstands von Bauern entnervt ein Bauprojekt in Westbengalen aufgab, simste Modi dem Tata-Chef: „Willkommen in Gujarat.“ Zehn Tage später war der Vertrag unterschrieben. Auf Tata folgten Ford, Peugeot und Bombardier. Zwar ist Gujarat auch vor ihm nicht Indiens Armenhaus gewesen, doch seit Modis Herrschaft ist die Korruption spürbar zurückgegangen, das Pro-Kopf-Einkommen deutlich gestiegen, die Wirtschaft wächst mehr als doppelt so schnell wie im landesweiten Durchschnitt.

Genau das war sein größter Wahlkampfschlager: Wollt ihr es genauso gut haben wie die Menschen in Gujarat? Wollt ihr Entwicklung und Wachstum? Doch gerade in seinem Musterstaat wird auch die andere Seite des neuen starken Mannes deutlich. Präziser hätte er formulieren können: Wollt ihr Hindus es genauso gut haben wie die Hindus in Gujarat? Die Teerstraßen und die Wasserleitungen enden oft an den Grenzen der muslimischen Gemeinden. Nirgendwo anders in Indien leben die Religionen so voneinander getrennt, es gibt Mauern mit Stacheldraht zwischen hinduistischen und muslimischen Wohnvierteln.

Er verzichtet auf Salz und Sex

Ein Schlüsselereignis passierte 2002: Ein Zug mit hinduistischen Pilgern geriet in Brand, 58 starben. Gerüchte gaben Islamisten die Schuld. Es kam zu Pogromen in Gujarat: Mehr als 1000 Muslime wurden umgebracht, zehntausende müssen aus ihrer Heimat fliehen. Es heißt, die Behörden hätten die Anführer des Mobs gewähren lassen, sie teilweise mit Melde-Daten von Muslimen versorgt. Erst nach drei Tagen lässt Ministerpräsident Modi die Sicherheitskräfte gegen das brutale Wüten einschreiten.

Vor Gericht wird er aus Mangel an Beweisen (Protokolle aus dieser Zeit waren nicht mehr auffindbar) von einer Verantwortung für das Massaker freigesprochen. Er sagte in einem Interview dazu, klar tue ihm der Tod von 1000 Muslimen leid, es tue ihm ja auch leid, wenn sein Chauffeur Hundewelpen überfahre.

Modi ist von Kindesbeinen an auf Hindu-Nationalist gedrillt. Mit acht trat er der RSS bei, einer nationalen Freiwilligen-Organisationen mit faschistischen Zügen. Die Mitglieder treffen sich täglich zu Übungen in Uniform, es gibt Vorträge über Patriotismus und Arier. Als junger Mann begann Modi, Sohn eines Teeverkäufers, bei der RSS zu arbeiten, erst als Bürobote. Später als Kader – als solcher muss er sich der Zölibat und der Askese verpflichten: keine Ehe, kein Sex, kein Alkohol, kein Fleisch, kein Salz im Essen. Modi: „Beim RSS ist mir die Erleuchtung gekommen, mein Leben der Nation zu widmen.“ Gestern sagte er zu seinem Sieg: „Gute Zeiten werden kommen für die Nation. Jetzt beginnt eine neue Ära.“

 

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