In weiter Ferne so nah – Seehofer in Südafrika

KAPSTADT - Horst Seehofer sieht den Tafelberg und die Townships von Kapstadt. Er verhandelt mit anderen Regierungschefs und lächelt mit einer südafrikanischen Schulklasse in die Kameras. Ein Besuch in einem Land der Gegensätze – bei dem ihn dennoch die Sorgen zu Hause verfolgen.
Da ist es, dieses Bild, auf das alle gewartet haben. Horst Seehofer umringt von Buben und Mädchen, alles Schwarze, alle tragen Schuluniform. Sie lächeln in die Kameras, Seehofer auch. Dahinter ist der Tafelberg zu sehen, unten glitzert der Atlantik in der Abendsonne. München und Berlin können so weit weg sein.
Und doch: So weit weg ist Deutschland nicht. Denn auch wenn Seehofer das Hartz-IV-Hickhack, das wochenlange Hin und Her um die Bundeswehrreform und das Ringen um den bayerischen Haushalt in dieser Woche hinter sich lässt und zu politischen Gesprächen nach Südafrika reist – so ganz kann der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef die aktuellen Probleme zu Hause auch hier nicht beiseiteschieben.
Dabei sieht Seehofer während seines dreitägigen Aufenthalts im Land der Fußball-WM durchaus Ecken, die einen die Probleme daheim in Deutschland ganz schnell vergessen lassen. Das beginnt schon auf der Fahrt vom Flughafen hinein nach Kapstadt, wo neben der Autobahn die Wellblechhütten des Townships Khayelitsha auftauchen, der größten Armensiedlung Kapstadts. Mehrere hunderttausend Schwarze – vielleicht sind es auch mehr als eine Million, so genau weiß das niemand – leben dort in größtenteils ärmlichsten Verhältnissen.
„Die Realitäten in diesem Land sind von Licht und Schatten geprägt“, hatte der deutsche Botschafter Dieter Haller schon bei der Begrüßung gesagt, und er sprach von einem „Wohlstandsgraben zwischen Schwarz und Weiß“. Und wohl nirgendwo sonst in Südafrika ist dieser immer noch tiefe Graben besser zu sehen als in Kapstadt, auch fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid.
Auf der einen Seite stehen die Villen der Reichen rund um den Tafelberg und an der Atlantikküste – auf der anderen Seite die Wellblechhütten der Townships. In Khayelitsha wird Seehofer sich davon selbst ein Bild machen, mit Bewohnern zusammentreffen und auch mit Ehrenamtlichen, die den Menschen hier unter die Arme greifen, Kindern wie Erwachsenen.
Anlass des Südafrika-Besuchs aber ist ein anderer: Seehofer berät in Kapstadt mit den Regierungschefs der sechs bayerischen Partnerregionen in aller Welt. Der Ausflug aufs internationale Parkett ist wohl eine willkommene Abwechslung nach manch aufreibender Sitzung von CSU-Spitze oder Koalitionsausschuss.
Entsprechend gut gelaunt ist Seehofer. Zum Beispiel, als er zum Auftakt seines Besuchs ein neues Abkommen mit der südafrikanischen Provinz Westkap unterschreibt. Erst muss er seinen Namen unter die deutsche Version setzen, dann unter die englische – woraufhin er versucht, „Seehofer“ englisch auszusprechen. Es klingt so etwa wie „Siihouver“ oder „Seahover“. Der Ministerpräsident lacht.
Seinen Auftritt am Mittwoch nutzt Seehofer, um die Partner um Unterstützung für die Münchner Olympiabewerbung zu bitten. Seine Rede zeigt, dass ihn die Politik zu Hause auch hier in Kapstadt nicht loslässt – vor allem die Sache mit dem ausgeglichenen Haushalt nicht. Es sei sein „persönlicher Ehrgeiz“, auch 2011 und 2012 einen Etat ohne neue Schulden vorzulegen, berichtet Seehofer seinen Amtskollegen aus aller Welt. Das durchzusetzen sei „auch gegenüber den eigenen Abgeordneten, die die Regierung stützen“, nicht ganz einfach. Es sei aber ein Gebot der Fairness gegenüber der jungen Generation, sagt er.
Schon bei der Begrüßung durch den deutschen Botschafter hatte Seehofer ganz genau hingehört, als der davon berichtete, dass Südafrika bis vergangenes Jahr einen ausgeglichenen Etat vorgelegt habe. Aber auch bei zwei anderen Punkten wird der CSU-Chef hellhörig: beim Wahlergebnis für den ANC, der vergangenes Jahr nur knapp eine neuerliche Zwei-Drittel-Mehrheit verpasste. Bei der CSU scheinen derlei Erfolge angesichts der aktuellen Umfragewerte ewig her zu sein.
Und auch an einem anderen Punkt fragt Seehofer noch einmal nach. Ja, erklärt der Botschafter, beim ANC gebe es eine Frauenquote von 50 Prozent. Bei der CSU steht die Entscheidung jetzt an. „Das brauche ich nämlich für meinen Parteitag – als Argument“, scherzt Seehofer.
Später aber ist auch die Debatte um die Frauenquote vergessen - beim Dinner mit den Delegationen im Kirstenbosch Botanical Garden, einer wunderschönen Anlage an den Osthängen des Tafelbergs. Draußen blühen die Paradiesvogel-Blumen, drinnen gibt es Lamm und Carpaccio vom Strauß. München und Berlin können so weit weg sein.
dpa