In Warschau: Kanzlerin Merkel berät über Zukunft der EU
Warschau - Dort wird sie mit Szydlo, Präsident Andrzej Duda und dem Vorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS, Jaroslaw Kaczynski, über Migration und Sicherheitsfragen sprechen. Merkel bemüht sich um einen engen Draht zu Warschau, weil sie nach dem Votum der Briten zum Austritt aus der EU die anderen 27 Staaten dringend zusammenhalten will.
Seit Amtsantritt der PiS-Regierung 2015 hatte deren starke Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik sowie eine Reihe anti-demokratischer Reformen das deutsch-polnische Verhältnis strapaziert. Wegen des bevorstehenden EU-Austritts Englands, den die PiS zum wichtigsten EU-Partner erklärte, müssten Polens Nationalkonservative nun aber die Beziehungen zu den verbleibenden Partnern verbessern, meinen polnische Politologen. Polen brauche Deutschland für seine Europa-Politik, betonen sie. Die Haltungen der Länder gingen zwar bei der Flüchtlinspolitik oder der Pipeline Nord Stream auseinander, doch sie hätten auch viel gemeinsam, wie ihre Kritik an Moskau. Polen fühlt sich seit der Ukraine-Krise von Russland bedroht.
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Polens starker Mann Kaczynski forderte vor dem Merkel-Besuch eine grundlegende Reform der Europäischen Union. Nur so könne die EU überleben, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). Wenn US-Präsident Donald Trump sage, Europa nutze nur Deutschland, würde das "zum größten Teil stimmen", sagte Kaczynski. "Frau Merkel ist absolut die Nummer eins in der EU, und das ist keine gesunde Situation."
Zur Flüchtlingskrise sagte der PiS-Vorsitzende, die Vernunft erfordere es, Flüchtlingen zu helfen, allerdings an Ort und Stelle. Eine massenhafte Aufnahme von Flüchtlingen hingegen käme einer "Liquidierung der aus dem Christentum hervorgegangenen Zivilisation" gleich.
Mit Blick auf Russland und die Verteidigungsanstrengungen der EU sagte Kaczynski, er würde die Idee einer atomaren "Supermacht" Europa begrüßen. Allerdings müsste man dafür "zu gewaltigen Ausgaben bereit sein", und das sehe er nicht. "Eine eigene Atommacht müsste mit Russland mithalten können."
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Bundestagsabgeordnete forderten Merkel auf, in Warschau für einen stärkeren Zusammenhalt mit Deutschland und der EU zu werben, zugleich aber auch Demokratieverstöße der polnischen Regierung anzusprechen. Die Nationalkonservativen hatte Ende 2015 begonnen, das Verfassungsgericht umzubauen und die Pressefreiheit einzuschränken. Die EU-Kommission führt ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, weil Unabhängigkeit und Kontrollfunktionen untergraben würden. Bisher hielt sich Merkel mit Kritik an Polens Innenpolitik zurück.