Immunität verloren: Ist Silvio Berlusconi am Ende?
Das italienische Verfassungsgericht hebt seine Immunität auf: Der Ministerpräsident könnte bald vor Gericht stehen und seinen Job verlieren. Oppositionspolitiker fordern seinen Rücktritt.
Selbst im Moment seiner größten Niederlage ist Silvio Berlusconi selbstsicher. Nur ein paar Stunden, nachdem das italienische Verfassungsgericht das von Berlusconi initiierte Gesetz kassiert hat, das den vier ranghöchsten Politikern des Landes Immunität zusicherte, tritt er vor die Fernsehkameras und verkündet: „Ich werde weiterregieren, wie man das in einer Demokratie macht.“ Doch diesen Auftrag zu erfüllen, wird schwierig. Der Cavalliere könnte schon bald vor Gericht stehen und im Fall einer Verurteilung seinen Job als Regierungschef verlieren.
Denn die Entscheidung des höchsten italienischen Gerichts, den nach Justizminister Angelino Alfano benannten Schiedsspruch zu annullieren, hat für Berlusconi Konsequenzen. „Das bedeutet, dass die anhängigen Prozesse gegen ihn wieder aufgenommen werden“, sagt Verfassungsrechtler Sandro De Nardi von der Universität Padua zur AZ.
Unmittelbar geht es um zwei Verfahren. Da ist der Fall „Mills“, der Korruptionsprozess gegen Berlusconis ehemaligen britischen Anwalt. David Mills war im Februar 2009 in erster Instanz zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er 1998 von dem Medienzar Bestechungsgelder als Gegenleistung für Falschaussagen in zwei weiteren Korruptionsverfahren angenommen haben soll. Das Berufungsverfahren wird am Freitag in Mailand eröffnet. Berlusconi ist von der Verteidigung als Zeuge aufgerufen.
Das zweite Verfahren, das anliegt, ist der „Mediaset-Prozess“. Dabei geht es um Steuervergehen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Filmrechten. Berlusconis Mediaset-Konzern soll 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient haben. Der Ministerpräsident ist wegen Steuerhinterziehung angeklagt.
Die Entscheidung der 15 Verfassungsrichter schlägt in Italien hohe Wellen. Oppositionspolitiker fordern Berlusconis Rücktritt, Beobachter halten ihn für angeschlagen. Doch das Polit-Stehaufmännchen gibt sich gewohnt aggressiv. Die Vorwürfe seien eine Farce, behauptet der 73-Jährige. „Lang lebe Berlusconi!“, ruft er kämpferisch.
15 Minuten lang lässt er sich in die Politik-Sendung „Porta a Porta“ des italienischen Staatsfernsehens Rai zuschalten. Als ihn Moderator Bruno Vespa mit seinen Aussagen über Staatspräsident Giorgio Napolitano („man weiß ja auf welcher Seite er steht“), das Verfassungsgericht („kommunistisch durchsetzt) und italienische Medien („gegen die Regierung“) konfrontiert, verliert Berlusconi die Fassung: „Ich habe gesagt, was ich denke und bleibe dabei. Das Verfassungsgericht ist ein politisches Organ.“ Als sich die linke Oppositionspolitikerin Rosy Bindi im Studio über Berlusconi aufregt, wütet er: „Ich höre die Bindi. Wie immer hübscher als intelligent.“
Trotz allem: Berlusconi wird mit großer Wahrscheinlichkeit weiter Regierungschef bleiben. „Vor Gericht zu stehen und den Staat zu regieren, schließt sich nicht aus. Auch für Berlusconi gilt die Unschuldsvermutung“, sagt Verfassungsrechtler De Nardi.
Ex-Staatsanwalt und Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro sagt: „Ich hoffe, dass der Ministerpräsident aufhört, Gesetze zum eigenen Gebrauch zu machen, zurücktritt und das wird, wogegen er sich die letzten 15 Jahre lang gesträubt hat: ein Angeklagter.“
De Nardi schätzt, dass die beiden Verfahren in den nächsten Monaten beginnen. Mit einer Verurteilung im Fall „Mills“ könnte für Berlusconi das Verbot einhergehen, ein öffentliches Amt zu bekleiden. „Aber natürlich erst, wenn alle drei Instanzen vorbei sind. Und das dauert“, sagt De Nardi. Bis dahin könnte selbst der ewig alterslose Berlusconi den Ruhestand dem politischen Parkett vorziehen.
Verena Duregger
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