Immer mehr Tote in Ägypten - Hass auf die Polizei
Das Einlenken des herrschenden Militärrats in Ägypten ist vergebens: Die blutigen Straßenkämpfe gehen weiter. Auch am Mittwoch - fünf Tage vor Beginn der ersten freien Parlamentswahl - lieferten sich Demonstranten und die Polizei in Kairo und Alexandria Straßenschlachten.
Kairo - Steine und Brandsätze flogen gegen die Sicherheitskräfte. Die antworteten mit Tränengas und Gummigeschossen. Nach unbestätigten Angaben starben wieder drei Menschen. Seit Beginn der Ausschreitungen am Freitagabend sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums straben 35 Menschen.
Ein harter Kern von Demonstranten versuchte am Mittwoch vergeblich, das Innenministerium im Zentrum von Kairo zu stürmen. Der Hass der Aktivisten richtet sich vor allem gegen die Polizei. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage ein wenig. Augenzeugen berichteten, das Militär habe die Kontrahenten getrennt, indem es die "Front" mit drei gepanzerten Fahrzeugen blockiert habe.
Am Dienstag sollen in Kairo auch zwei Polizeioffiziere getötet worden sein. Das Innenministerium bestätigte dies aber nicht. In der Provinzstadt Tanta sei ein neun Monate alter Säugling erstickt, als Einsatzkräftei vor der Polizeistation Tränengas gegen Demonstranten einsetzte, meldete die Nachrichtenwebsite "Al-Ahram".
Die Bundesregierung forderte ein Ende der Gewalt und Sicherheit während der Parlamentswahlen. "In dem neuen Ägypten, das ja freiheitlich und demokratisch sein will, kann Unterdrückung und kann auch Gewalt gegen friedliche Demonstranten keinen Platz haben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Es müsse außerdem "sichergestellt werden, dass bei den anstehenden Parlamentswahlen jeder Ägypter seine Stimme ohne Beeinträchtigung frei und friedlich abgeben kann".
Die jüngste Protestwelle hatte am vergangenen Freitag mit einer Demonstration begonnen, bei der Islamisten eine schnellere Machtübergabe an eine zivile Regierung gefordert hatten.
Am Dienstag ging der Militärrat, der im Februar die Macht von Präsident Husni Mubarak übernommen hatte, auf einige Forderungen der Opposition ein. Er nahm den Rücktritt der umstrittenen Übergangsregierung an und kündigte die Präsidentenwahl für Juni 2012 an. Im Juli will das Militär dann endgültig die Macht abgeben.
Viele Details im politischen Prozess sind noch unklar. Beispielsweise weiß niemand, welche Rolle der künftige Präsident spielen wird, denn nach der Parlamentswahl, die am kommenden Montag beginnen soll, wird eine neue Verfassung formuliert werden. Viel deutet darauf hin, dass der Präsident künftig deutlich weniger Befugnisse haben wird.
Die Parlamentswahl findet in drei Phasen statt und wird sich bis in den Januar hinziehen. Der Militärrat hat es bislang abgelehnt, den Wahltermin wegen der Gewalt auf den Straßen zu verschieben. Auch die Muslimbrüder, deren Parteien sich bei dem Urnengang gute Chancen ausrechnen, sind gegen eine Verschiebung der Wahl.
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