„Ich bin nicht der Kronprinz“
Innenminister Joachim Herrmann besuchte die AZ und überraschte: Er trat auf, als wäre er Bayerns oberster Datenschützer. Doch auch Fragen zum Zustand seiner Partei blieben ihm nicht erspart.
AZ: Herr Herrmann, wie nervös ist die CSU eigentlich?
JOACHIM HERRMANN: Sie ist überhaupt nicht nervös. Warum sollten wir?
Warum ist Ministerpräsident Günther Beckstein dann am Wochenende in Nürnberg bei einer Protestveranstaltung von Lehrern und Eltern so ausgeflippt? Warum hat er geschrien und sie beschimpft?
Das stimmt gar nicht. Da gab's kritische Demonstranten. Das halten wir aus. Entscheidend ist, dass wir eine gute Bildungspolitik machen. Da müssen auch die Kritiker anerkennen, dass kein anderes Bundesland so eine erfolgreiche Bildungspolitik macht wie wir. Dass wir uns trotzdem bemühen müssen, es noch besser zu machen mit kleineren Klassen und mehr Lehrern, ist klar. Aber wir brauchen uns überhaupt nicht zu verstecken.
Sie kommen nicht daran vorbei, dass die CSU derzeit eine Schwächephase durchlebt und ein völliges Durcheinander herrscht.
Wir haben in der CSU nach wie vor eine Stärke, von der andere Parteien nicht einmal zu träumen wagen. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt unsere Stärken deutlich machen. Die Entwicklung Bayerns ist hervorragend. Die Menschen werden sehr schnell spüren, dass jede andere Politik für dieses Land schlechter wäre.
Sie gelten als Kronprinz. Wann lösen Sie Beckstein ab?
In der Politik gibt es keine Kronprinzen. Und ich diskutiere darüber nicht. Wir haben mit Günther Beckstein einen starken Ministerpräsidenten. Der wird dieses Land auch erfolgreich weiterregieren.
Bis wann?
Was soll die Frage? Beckstein steht erst am Anfang seiner Regierungszeit.
Als Fraktionsvorsitzender haben Sie gegen zu viel Überwachung der Bürger gekämpft. Jetzt, als Innenminister, geht's Ihnen nicht weit genug. Sie wollen sogar einen Sonderweg bei der Online-Durchsuchung in Bayern?
Wir müssen sorgfältig unterscheiden: Was brauche ich, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen? Im Einzelfall mit richterlichem Beschluss müssen wir hier auch den Computer eines Terroristen durchsuchen können. Ich bin sehr zurückhaltend, was massenhafte Datenspeicherung betrifft.
Aber die EU plant den gläsernen Fluggast. Kreditkartennummer, Buchungsverhalten, Sitzplatzvorlieben, Essenswünsche von Millionen unbescholtener Urlauber und Geschäftsreisender sollen jahrelang gespeichert und obendrein ins Ausland weitergeleitet werden. Wo bleibt da Ihre angebliche Liberalität?
Ich halte dieses Konzept, über 13 Jahre hinweg sämtliche Fluggastdaten zu sammeln, für völlig überzogen. Ich habe kürzlich die CSU-Innenpolitiker von Europa, Bund und Land ins Innenministerium eingeladen. Wir waren uns einig, dass wir dieses Konzept gemeinsam ablehnen und massive Einwände erheben werden. Ich als Innenminister brauche das nicht zur Terrorismusbekämpfung. Ich glaube nicht, dass es in diesem EU-Parlament dafür eine Mehrheit geben wird. Nicht jede Kriminalitätsbekämpfung rechtfertigt jeden Eingriff in Freiheitsrechte. Ich möchte nicht die ganze Bevölkerung kriminalisieren.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble legt sich seit einem Jahr nur noch mit dem Bundesverfassungsgericht an. Sind Sie da auf seiner Seite?
Ich kann mit den letzten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu all diesen Themen, ob Kfz-Kennzeichen-Scanning oder Online-Durchsuchung, gut leben. Was das Bundesverfassungsgericht mit seinen jüngsten Urteilen zulässt, reicht für die Terrorismusbekämpfung völlig aus. Mehr muss es auch nicht sein. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, sich um Kleinkriminalität zu kümmern. Da muss man auch Grenzen aufzeigen.
Aber es kommt doch noch viel schlimmer: Über ein Austauschabkommen soll die Polizei Fingerabdrücke bekommen, an die sie sonst nie gekommen wäre – und zwar an die aller Deutschen, die in die USA reisen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt. Werden Sie dem zustimmen?
Wir in Bayern haben das nicht erfunden. Und ich weiß auch nicht, ob das gut ist. Da wird es noch eine große Diskussion geben. Es ist noch nicht klar, wie das genau ausgestaltet werden soll. Im Einzelfall braucht man natürlich einen Austausch. Ich jedenfalls möchte nicht, dass sämtliche Fingerabdrücke von Deutschen, die in die USA gereist sind, in einer deutschen Datenbank gespeichert werden. Dafür gibt es keinen Anlass.
Interview: Angela Böhm, Frank Müller