Hut ab! Uni entzieht Schavan den Doktortitel
Düsseldorf - Sie wusste um diesen entscheidenden Termin, aber sie zog ihr Arbeitsprogramm durch. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) war gestern Abend in Kapstadt, als der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf sein Verdikt über sie sprach: Der Bundesbildungsministerin wird der Doktortitel entzogen. Ein Paukenschlag. Es ist höchst ungewiss, ob sich Schavan im Amt halten kann – oder ob Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Verbündete im Kabinett verliert und so kurz vor der Wahl ihre Mannschaft umbilden muss.
Für den Entzug des Doktortitels stimmten nach sechsstündiger Debatte zwölf Mitglieder des Rates, bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Das teilte Professor Bruno Bleckmann, Dekan der Philosophischen Fakultät, am Abend in der Uni Düsseldorf mit. „Der Rat sieht es als erwiesen an, dass Frau Schavan systematisch und vorsätzlich über ihre Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgegeben habe, die sie nicht selbst erbracht habe.“ Sie habe vorsätzlich plagiiert. Der Rat habe die Promotionsleistung für ungültig erklärt und beschlossen, den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel mit sofortiger Wirkung zu entziehen, so ein sichtlich angespannter Bleckmann.
Es war nicht die erste Sitzung des Rates. Vor kurzem hatte das Gremium beschlossen, formell das Verfahren gegen sie einzuleiten – „ergebnisoffen“, wie es damals hieß. Es gab mehrere Szenarien: zum Beispiel eine monatelange Prüfung oder die Bestellung eines externen Gutachtens. Auf letzteren Punkt hatte vor allem Schavan gedrungen, die das uni-interne Gutachten kritisiert hatte. Dann war aber noch ein Heft mit damals gültigen Zitierregeln aufgetaucht – vielleicht der letzte Sargnagel. Jedenfalls entschied der Rat gestern, nun gleich reinen Tisch zu machen und ihr den Titel zu entziehen.
Bleckmann sagte, man habe auch Schavans eigene Stellungnahme sowie zwei von ihr eingereichte Expertisen ausführlich geprüft. „Wir haben dieses Material für ausreichend erachtet, um heute zu einer Entscheidung zu kommen.“ Ein zusätzliches auswärtiges Gutachten sei nicht nötig, die Standards seien die gleichen. Die Fakultät müsse selbstkritisch anmerken, dass es offenbar Defizite in Betreuung und Prüfung gibt – aber es sei klar, dass Plagiate bestraft werden müssten.
"Eine politisch motivierte Kampagne"
Nun also ist ausgerechnet die Bundesbildungsministerin der Schummelei bei ihrer Doktorarbeit – „Person und Gewissen“ – überführt, jedenfalls aus Sicht ihrer Uni. In der Union herrschte zunächst entsetztes Schweigen. Als erster meldete sich Fraktionsvize Michael Kretschmer zu Wort: „Das war ein von Anfang an unfaires Verfahren. Das war keine wissenschaftliche Überprüfung, sondern eine politisch motivierte Kampagne gegen eine erfolgreiche Ministerin.“
Dann meldete sich Schavan selbst zu Wort – über ihre Anwälte. Sie werde gegen den Beschluss der Universität Klage einreichen. „Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren gefällt worden.“
Damit gilt der Titel juristisch bis zu einem rechtskräftigen Abschluss als nicht entzogen. Womöglich hofft sie, dass sich das Verfahren bis zur Wahl hinzieht. Dass sie kämpfen will, hat die 58-jährige CDU-Politikerin aus Baden-Württemberg, die meist geräuschlos, aber erfolgreich auftritt, von Anfang an klar gemacht. Nein, sie schäme sich nicht für ihre Flüchtigkeitsfehler. Sie habe nicht betrogen. „Der Vorwurf der Täuschung trifft mich bis ins Mark.“ Gerade erst ist sie mit 96 Prozent wieder als Wahlkreiskandidatin aufgestellt worden.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehrmals versichert, dass sie zu ihrer Ministerin hält. Kaum jemand im Kabinett steht ihr näher: zwei pragmatische Frauen, die sich gegen Männerrunden hochkämpft haben. Vor allem will Merkel jetzt nicht mehr ihr Team umbilden.
Die Frage ist allerdings, ob die beiden das auf Dauer durchhalten. Die Linie der Opposition deckt sich mit der Mehrheitsmeinung der Bürger in Umfragen: Schavan kann bleiben, solange die Uni noch prüft. Sie muss gehen, wenn ihr der Titel entzogen wird – gerade die Bildungsministerin. Die Linke legte ihr umgehend den Rücktritt nahe: "Sie sollte jetzt selbst diesen Schritt gehen und den Vertrauensverlust für das Amt begrenzen", so die Abgeordnete Petra Sitte. Sie erinnerte an Schavans Reaktion, als dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Plagiate vorgeworfen wurden: "Ich würde mich nicht nur heimlich schämen."