Hubert Aiwanger im AZ-Interview zur Bundestagswahl 2017: "Offene Tore - das ist der falsche Weg"

Freie-Wähler-Chef Aiwanger spricht über Grenzkontrollen, den Zuzug von Flüchtlingen sowie über Querelen in der eigenen Partei.
Markus Peherstorfer |
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Hubert Aiwanger (46) von den Freien Wählern lehnt offene Tore bei der Zuwanderung ab.
dpa/AZ Hubert Aiwanger (46) von den Freien Wählern lehnt offene Tore bei der Zuwanderung ab.

AZ: Herr Aiwanger, in Ihrem Wahlprogramm steht: „Wir wollen keine Rückkehr zu Schlagbäumen in Europa, denn wir sind stolz auf die offenen Grenzen zu unseren europäischen Nachbarn.“ Trotzdem fordern Sie immer wieder, die Grenzkontrollen zu Österreich beizubehalten. Wie passt das zusammen?
HUBERT AIWANGER: Wir könnten auf die Schlagbäume innerhalb Europas verzichten, wenn die Außengrenzen funktionieren würden. Das ist aber bis heute nicht der Fall. Es zeigt sich zunehmend, dass die Außengrenzen unsicher sind. Als die Grenzkontrollen während des G20-Gipfels wieder überall eingeführt waren, wurden innerhalb von vier Wochen 5000 illegale Einwanderer aufgegriffen. Wenn das Ideal nicht funktioniert, muss man zur Realität zurückkehren, und das heißt: Beibehaltung und sogar Intensivierung der Grenzkontrollen.

Wie wollen Sie die EU-Außengrenzen schützen?
Zunächst mal die Magnetwirkung der deutschen Asylpolitik zurückfahren. Wir müssten den Schleusern und den illegalen Einwanderern signalisieren, dass Deutschland eben nicht alle aufnehmen wird und dass die Rückführungen schneller funktionieren. Dann wäre der Druck auf die Außengrenze schon gar nicht so groß. Und dann muss man natürlich mit den europäischen Partnerländern und auch mit den afrikanischen und arabischen Anrainerländern jenseits des Mittelmeers intensivere Absprachen treffen, dass diese illegale Migration unterbunden wird.

Wie soll man das zum Beispiel mit Libyen machen, wo es überhaupt keine richtige Regierung gibt?
Es gibt auch dort Ansprechpartner. Und im Zweifelsfall muss man eben im Mittelmeer mit der Marine aktiv sein, was ja jetzt die Italiener auch tun. Wir sind an vielen Krisenherden unterwegs, um für Stabilität zu sorgen. Und vor den eigenen Grenzen haben wir Hemmungen, dasselbe zu tun.

"Die Leute müssen gut qualifiziert sein, frei von Vorstrafen"

Die Freien Wähler fordern ein Einwanderungsgesetz. Wie soll das konkret aussehen?
Nach kanadischem Vorbild, dass man sich für die Wirtschaft notwendige Fachleute nach einem Punktesystem gezielt aussucht. Die Leute müssen gut qualifiziert sein, frei von Vorstrafen, jung und gesund, dann kann man die eventuell temporär oder dauerhaft in einer gewissen Zahl nach Deutschland lassen. Aber nicht wie derzeit praktiziert: offene Tore, es komme, wer wolle, und dann werden schon ein paar dabei sein, die man für die Wirtschaft brauchen kann. Das ist der falsche Weg.

In Ihrem Programm steht auch, dass Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll. Das wären jedes Jahr 25 Milliarden Euro mehr als jetzt. Wer soll das bezahlen?
Das würde die Binnenwirtschaft ankurbeln. Wir hatten früher teils viel höhere Verteidigungsausgaben. Das ist auch dringend nötig, um unsere Soldaten optimal auszurüsten.

Überhaupt machen Sie in Ihrem Programm viele eher unkonkrete Versprechungen, sagen aber kaum etwas zur Finanzierung.
Erstens sagen wir: Wir wollen bei keinen Rettungsschirmen mehr mitzahlen. Zweitens ist das, was wir fordern, in der Regel ein Ankurbeln der Binnenkonjunktur. Seien es auskömmliche Renten, die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur, eine bessere Gesundheitsoder Bildungspolitik: Das kostet natürlich Geld. Aber ich bin überzeugt: Das sind Ausgaben für die Substanz dieses Landes, die sich rentieren. Wir müssen mehr in die Zukunft investieren. Die Steuerrückflüsse kommen dann schon.

Wie froh sind Sie, dass Sie sich nicht mehr mit der Betrugsanklage gegen Ihren früheren Landtags- Fraktionskollegen Günther Felbinger auseinandersetzen müssen?
Sein Austritt ist natürlich eine Erleichterung. Das war eine ewige Hängepartie. Seit zwei Jahren stehen diese Vorwürfe gegen ihn im Raum und bis heute ist kein Gerichtstermin in Aussicht. Das ist ein öffentliches Grillen, das eine Fraktion auf Dauer nicht aushält.

"Natürlich muss man als Politiker auch an was glauben"

Warum haben Sie ihn so lang in Schutz genommen?
Weil ich immer auf einen Gerichtstermin gehofft hatte. Wir wollten die Gerichtsbarkeit sprechen lassen. Aber diese Zeit ist uns politisch leider nicht geblieben, weil die Wahlen vor der Tür stehen.

Ihr Fraktionsvize Alexander Muthmann tritt bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr an. Er sagt, Ihre politische Linie sei zu CSU-freundlich und zu weit rechts.
Es gibt in allen Parteien Kritiker. Das ist seine persönliche Entscheidung. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir Fehlentwicklungen in der Flüchtlingspolitik benennen müssen. Wenn ich das nicht täte, würde ich nur anderen Parteien in die Karten spielen. Wenn Herr Muthmann dieses Benennen als rechts abstempelt, dann ist sein Koordinatensystem an dieser Stelle nicht ganz richtig.

Bei der Bundestagswahl sind die Freien Wähler in Umfragen weit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt. Was halten Sie für wahrscheinlicher: dass Sie die Hürde knacken oder dass Sie sich in Ihrem Wahlkreis Landshut gegen Florian Oßner (CSU) durchsetzen?
Ich strebe beides an.

Glauben Sie auch daran?
Natürlich muss man als Politiker auch an was glauben.

Lesen Sie hier: Beeindruckend: Analyse zum Wahlverhalten der Deutschen

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