Hubers Bauchlandung in Berlin

Beim Koalitionsgipfel kann sich CSU-Chef Erwin Huber in keinem Punkt durchsetzen. Indes wirft Finanzminister Peer Steinbrück Huber Populismus vor: „Da geht er in der Landschaft herum und streut den Leuten Sand in die Augen“.
BERLIN Der Burgfrieden in der großen Koalition hielt gerade mal ein paar Stunden: Bis kurz nach Mitternacht am Dienstagfrüh hatten die Granden von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt gerungen – und sich auf die Bahnprivatisierung und ein Modell für Mitarbeiterbeteiligung geeinigt. Alle übrigen strittigen Themen, von der Pendlerpauschale über die Gesundheitsreform bis zur Erbschaftssteuer, schoben die Koalitionäre auf die lange Bank. Die Partner ließen CSU-Chef Erwin Huber bei seinen drei Herzensanliegen kühl ins Leere laufen.
Am Morgen danach fielen prompt schon wieder alle übereinander her. Vor allem Huber sah sich heftigen Attacken der Sozialdemokraten ausgesetzt: „Da geht er in der Landschaft herum und streut den Leuten Sand in die Augen“, warf Finanzminister Peer Steinbrück dem CSU-Kollegen Populismus vor. Alle Forderungen Hubers zusammengenommen würden Mehrausgaben „von mindestens 30 Milliarden Euro“ bedeuten. Fraktionschef Peter Struck tönte, der Gesundheitsfonds bleibe erklärtes Ziel der Regierung – ungeachtet der harschen Kritik aus München: „Der kommt, das Gesetz gilt.“
Auch im Streit um die Pendlerpauschale watschte Struck Huber ab: Zuerst einmal müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgewartet werden. Doch selbst wenn Pendler die Fahrten bereits wieder ab dem ersten Kilometer steuerlich geltend machen dürften, werde es „mit Sicherheit nicht mehr die 30 Cent“ geben, die im Moment für Arbeitswege ab 21 Kilometern gelten. Das sei niemals finanzierbar.
Ein gereizter Huber
Huber reagierte gereizt: Der Gesundheitsfonds komme „nur dann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind“, pampte Huber. „Wir bleiben hier am Ball.“ Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sei in der Pflicht, jetzt endlich Daten auf den Tisch zu legen und damit zu beweisen, dass Bayern mit nicht mehr als 100 Millionen Euro im Jahr belastet werde. Die CDU teilte dazu kühl mit, der Fonds werde auf jeden Fall kommen. Auch bei der Pendlerpauschale werde die CSU keine Ruhe geben, so Huber weiter. Man müsse die „fleißigen Menschen, die jeden Tag zur Arbeit fahren“, zwingend entlasten. Bei der Erbschaftssteuerreform schließlich, bei der es ebenfalls keine Annäherung gegeben hatte, droht die CSU weiter mit Blockade: „Der Gesetzentwurf ist mit einer ganzen Reihe von Fallstricken und Schikanen versehen, die müssen raus“, sagte Huber. Die CSU fordere Verbesserungen zugunsten kleiner und mittelgroßer Betriebe.
Selbst um die beschlossene Bahnprivatisierung gibt es schon wieder mächtig Ärger. Das schwarz-gelb regierte Land Niedersachsen kündigte Widerstand an, weil es die Stilllegung von Regionalstrecken befürchtet. Der Wirtschaftsrat der Union wiederum beklagte eine „Parodie auf die wirtschaftliche Vernunft“. Die vereinbarte Bahn-Beschäftigungsgarantie bis 2023 sei „der Preis für das Stillhalten der Gewerkschaften und blockiert eine wirtschaftlich sinnvolle Neuaufstellung“.
„Weltmeister im Aussitzen von Problemen“
Auch die Opposition ließ natürlich kein gutes Haar an den Beschlüssen der Regierung: „Schwarz-Rot laviert am Rande der Handlungsunfähigkeit“, giftete FDP-Chef Gudio Westerwelle. Links-Fraktionsgeschäftsführer Dietmar Bartsch warf Union und SPD vor, „Weltmeister im Aussitzen von Problemen“ zu sein. Die Koalition lege sich „wie Mehltau übers Land“. Von München aus lästerte SPD-Fraktionschef Franz Maget, die CSU sei „in Berlin zu einer Randerscheinung verkommen“.
Immerhin wollen sich die Koalitionsspitzen jetzt wieder häufiger treffen. Der nächste Gipfel ist für Juni geplant. SPD-Chef Beck kündigte an, dann das Reizthema Managergehälter auf die Agenda zu setzen.