Hubers Abrechnung

„Die Zeit der einsamen Ansagen ist vorbei“, „Die CSU sehnt sich nach Weitsicht und Standfestigkeit“ – der frühere Parteichef geht mit Horst Seehofer ins Gericht. Und fordert eine Nachfolge-Regelung
von  tan

„Die Zeit der einsamen Ansagen ist vorbei“, „Die CSU sehnt sich nach Weitsicht und Standfestigkeit“ – der frühere Parteichef geht mit Horst Seehofer ins Gericht. Und fordert eine Nachfolge-Regelung

München - Er hat seine Meinung lange für sich behalten, jedenfalls öffentlich – jetzt, nach den verheerenden Verlusten der CSU bei der EU-Wahl, macht Erwin Huber vernehmlich den Mund auf. In einem großen „Spiegel“-Interview rechnet er mit Ministerpräsident und Parteichef Horst Seehofer ab. Er fordert Konsequenzen im Auftreten der Partei („Rückkehr von Geradlinigkeit und Verlässlichkeit“) und eine rasche Nachfolgeregelung für Seehofer.

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Huber war 2008 von Seehofer als CSU-Chef abgelöst worden. Er empfinde nun keine Genugtuung über das Wahldesaster, „nein, ich leide mit meiner Partei“. Gerade deswegen wolle er bei der „größten Bewährungsprobe in der Geschichte der Partei“ aktiv mithelfen. Es gehe um nichts weniger als die Zukunftsfähigkeit der CSU, analysiert Huber. Seine Konsequenz: „Die CSU muss die Weichen stellen für die Zeit nach Seehofer. Er hat diese Übergangsphase zu gestalten, aber nicht allein nach seiner persönlichen Lebensplanung. Die Zeit der einsamen Ansagen ist vorbei.“

In den nächsten zwei bis zweieinhalb Jahren müssten die Weichen gestellt werden, so Huber, der aktuell Chef des Wirtschaftsausschusses ist und 2018 in den Ruhestand geht. „Wir dürfen uns nicht auf die von Seehofer installierten Kronprinzen beschränken. Die Nachfolgefrage geht uns alle in der Partei an. Es sollten noch mehr in die Auswahl kommen.“ Er geht auch mögliche Kandidaten durch. Über Söder: „Sagen wir mal: Die Bewährungsphase ist nicht abgeschlossen.“ Über Ilse Aigner: „Ihr Start war holprig. Ihre Stärke ist, dass sie gut mit Menschen umgehen kann.“ Über Dobrindt: „Er muss jetzt zeigen, was er kann, zum Beispiel bei der Maut.“

"Stil des 19. Jahrhunderts"

Klar sei: Es dürfe keine Nacht der langen Messer geben, sondern einen „anständigen, transparenten Prozess“, womöglich mit einem Mitgliederentscheid und vielleicht am Ende mit einer Doppelspitze, schlägt der frühere Parteichef vor. Wichtig ist ihm vor allem: „Wir dürfen uns nicht dem Diktat von oben unterwerfen.“

Und damit ist er auch bei seiner persönlichen Analyse von Seehofer. „Er muss seinen Führungsstil der heutigen Zeit anpassen. Befehl und Gehorsam war der Stil des 19. Jahrhunderts. Politiker sollten Vorbilder sein, auch in der Art des Umgangs miteinander.“ Und weiter: „Ich grüble auch, warum er als ausgewiesener Sozialpolitiker einen oftmals verletzenden Umgang mit Macht praktiziert. Ich habe zum Beispiel Schwierigkeiten zu verstehen, warum er Ilse Aigner als Wahlkampflokomotive nach Bayern holt und ihr jetzt das Leben schwermacht.“

Huber sagte, Seehofers Wendigkeit sei Stärke und Schwäche zugleich. „Es ist nicht immer richtig, flexibel zu sein. Man muss auch einmal stehen können. Seehofer hat die Hand am Puls der Zeit und erliegt nicht selten den Moden des Zeitgeists.“ Und dann: „Die CSU sehnt sich aber nach Klarheit, Weitsicht und Standfestigkeit.“

Huber übt auch ein wenig Selbstkritik: Die CSU habe gewusst, wie Seehofer tickt, als sie ihn zum Chef gemacht habe. Und: „Ein Vorwurf, den wir uns alle in der CSU machen müssen: Der Einzelne ist so mächtig, wie andere es zulassen. Es ist die Feigheit von vielen, die Seehofer so überdominant werden ließ.“

Harsch geht er mit CSU-Vize Peter Gauweiler ins Gericht: „Die Leute wussten nicht: Ist die CSU für Europa oder dagegen? Der Spagat war zu groß. Einige haben das Spiel der AfD betrieben, die EU und den Euro bekämpft oder herabgesetzt, dazu noch Putin umarmt und Soldaten der Bundeswehr beleidigt. Das sind nicht nur Fehler, das sind politische Todsünden, die uneinsichtig weiter vertreten werden. Protestparteien muss man bekämpfen, nicht ihre Parolen salonfähig machen.“

Seehofer reagierte auf Hubers Äußerungen nur knapp: "Er wollte mich nie. Er will micht nicht.“

 

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